Wochenübersicht: Kunst : Harald Fricke schaut sich in den Berliner Galerien um
Er kam, sah und sägte. Wenige Künstler haben es geschafft, mit einer einzigen Intervention den gesamten Betrieb zu revolutionieren. Malewitschs schwarzes Quadrat war so ein Coup, vielleicht auch „Splitting“ von Gordon Matta-Clark. 1974 wurde dem New Yorker Künstler ein Abbruchhaus in New Jersey zur Verfügung gestellt, das seiner Galeristin Holly Solomon gehörte. Daraufhin nahm Matta-Clark das Gebäude mit Freunden in Beschlag, arbeitete eine Schnittlinie quer durch die zwei Stockwerke aus und fräste sich vom Dach bis zum Keller. Am Ende kippten die Hälften auseinander wie eine leicht geöffnete Blüte.
Von der Aktion ist ein Film geblieben, der mit einem Dutzend weiterer Dokumentationen zu den Arbeiten Gordon Matta-Clarks in der Galerie Thomas Schulte gezeigt wird. Streng auf Monitore verteilt kann man von der frühen Baum-Performance „Tree Dance“ (1969) den Parcours über straßentheaterartige Happenings und Studien zur amerikanischen Hochhausarchitektur abschreiten bis zum „Office Baroque“, das 1977 in Antwerpen nach einem enorm verfeinerten Plan geometrisch zerlegt wurde. Ein Jahr später starb Matta-Clark mit erst 35 Jahren an Krebs.
Die Filme geben auch Einblick in ein eigensinniges Künstler-Ego. Matta-Clark bevorzugte die Arbeit im Kollektiv, zugleich war er als Entertainer auf Wirkung bedacht. Dafür ist „Clockshower“ von 1974 ein irrwitziger Beleg: Im Regenmantel hangelt er an einer Turmuhr entlang, rasiert sich zwischen den Zeigern und macht Turnübungen, völlig in Schaum eingeseift. Der athletische Körpereinsatz ist beeindruckend, die wagemutigen Exerzitien erinnern an spätere Kraftakte von Matthew Barney. Doch Matta-Clarks geht nicht aus Narzissmus an seine physischen Grenzen. Er spielt mit der Architektur – aus Liebe zum Situationismus.