Liberale wollen anarchistische Ruhr-Zone

Die Liberalen wollen nach den Kommunalwahlen aus dem Ruhrgebiet eine lukrative Sonderwirtschaftszone machen, in der keine Gesetze über den Tarif und Umweltschutz mehr gelten. Auch die Ruhrstadtdebatte soll ziehen

ESSEN taz ■ Die FDP im Ruhrgebiet will mit drei Bs im Kommunalwahlkampf punkten: Die Themen Bildung, Bürokratieabbau und Budget sollen den Liberalen Stimmen am 23. September bringen. „Wir sind immer noch in der Lage, einen lockeren Wahlkampf zu machen“, sagte die FDP-Landesvorsitzende Ulrike Flach gestern auf der Ruhrpressekonferenz in Essen. Nach der Ära Möllemann habe die Partei aber auch gelernt, dass man es mit Spaß auch übertreiben könne.

Die FDP konnte bei den vergangenen Kommunalwahlen in jedes Stadtparlament wieder einziehen – aber auch nur deswegen, weil zum ersten Mal die Fünfprozenthürde weggefallen war. Bei der Bundestagswahl 2002 kam sie hier auf 7,7 Prozent, was sie vor allem der Popularität ihres nun verstorbenen Mentors Jürgen Möllemann aus Münster verdankte. „Wir lagen im Ruhrgebiet vor den Grünen“, sagt Andreas Reichel, Vorsitzender der Ruhr-FDP. Damit sei das hiesige Ergebnis sogar besser als in Baden-Württemberg, dem Stammland der Liberalen. Deshalb sei man für diesen Wahlkampf auch ganz optimistisch und stelle in jeder Kommune einen oder eine Ob-KandidatIn. Dabei kandidieren doppelt so viele Frauen wie Männer, in Bochum beispielsweise die Landtagsabgeordnete Ute Dreckman, in Dortmund Anette Littmann. „Wir setzen auf Qualität und die haben im Moment überwiegend Frauen“, sagt Reichel. Aber natürlich, betont der Chefliberale, sei das ohne Vorsatz passiert.

Mit größtem Vorsatz allerdings wollen die Gelben ein anderes Ruhrgebiet: Es soll zur Sonderwirtschaftszone werden, aber diese soll im FDP-Sprech lieber „Impulsregion Ruhr“ heißen. In der sollen dann weder Tarifverträge noch der Kündigungsschutz gelten, auch sollen lästige Umweltschutzauflagen oder die Gewerbeaufsicht eine Rolle spielen. „Wir wollen die Bürokratie außer Kraft setzen, “ sagt Reichel. Der Essener heizt die Ost-West-Debatte wieder neu an: Er sehe nicht ein, wieso im Osten Regionen wie Potsdam oder Leipzig boomten, während die Innenstädte im nördlichen Ruhrgebiet verrotten. „Alles muss an der Bedürftigkeit gemessen werden.“ Deswegen werden die Ruhrliberalen auch auf dem Bundesparteitag der FDP am kommenden Wochenende einen Antrag stellen, nachdem das Ruhrgebiet zu einer Freihandelszone werden solle.

Auf den Plakaten soll auch die Ruhrstadt eingefordert werden, dies habe sich auch im letzten Wahlkampf als erfolgreich herausgestellt. „Wir wollen einen mächtigen, frei gewählten Ruhr-Oberbürgermeister“, sagt Reichel. Die Städte sollten an ein Ruhrparlament echte Kompetenzen abgeben, zum Beispiel solle die Wirtschaftsförderung und auch das Thema Verkehr von der übergreifenden Instanz geregelt werden. Auch die Grünen werben mit der Ruhrstadt, aber das stört Reichel nicht: „Das glaubt denen keiner, die hätten es ja in den vergangenen fünf Jahren realisieren können.“

Eine Koalitionsaussage will die FDP nicht treffen. In Mülheim gibt es eine „Projektzusammenarbeit“ mit der SPD, in Essen regiert sie mit der CDU. „Wir sind nach allen Seiten offen“, sagt Flach. Der Landtagsabgeordnete Ralf Witzel schielt aber schon nach der Macht mit der CDU: „Wenn die SPD die Kommunalwahl verliert, sieht es auch für die rot-grüne Koalition in Düsseldorf schlecht aus“, wünscht sich Witzel. ANNIKA JOERES