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Archiv-Artikel

Ein attraktives Angebot

Im „Wettbewerb um die klügsten Köpfe der Welt“ begrüßt die deutsche Wissenschaftsszene die Grundsatzeinigung bei der Zuwanderung. Und bleibt gespannt, ob die Green Card und das Bleiberecht von Studenten nun auch tatsächlich kommen

DAAD: „Endlich zieht Deutschland mit westlichen Ländern wie Frankreich oder den USA gleich“

VON LUKAS WALLRAFF

Seit den Anschlägen von Madrid bestimmt nur noch ein Wort die Debatte um die Zuwanderung: die „Sicherheit“. Auch nach der Grundsatzeinigung zwischen Kanzler und Union über das seit Jahren umstrittene Zuwanderungsgesetz geht der Streit über die „Sicherheitsfragen“ weiter. Bis zu den Schlussabstimmungen in Bundesrat und Bundestag im Juli dürfte es noch einiges an Hickhack geben. Richtig freuen kann sich über den ausgehandelten Kompromiss jedenfalls keiner. Fast keiner.

Es gibt doch noch Menschen, die das Zuwanderungsgesetz, wie es jetzt endlich kommen soll, regelrecht begeistert: Es sind Leute aus der Wissenschaft, die sich von dem Gesetz tatsächlich bessere Voraussetzungen im viel zitierten „Wettbewerb um die klügsten Köpfe der Welt“ versprechen. Der Mathematikprofessor Peter Deuflhard, Präsident des Konrad-Zuse-Zentrums in Berlin (ZIB), zum Beispiel jubelt: „Wenn das so umgesetzt wird, was jetzt verkündet wurde“, sagte Deuflhard gestern der taz, „wäre das für uns ein entscheidender Schritt nach vorn.“

Falls nicht doch wieder bürokratische Hürden eingebaut würden, könne er nun begabte Mathematiker nach Deutschland locken, „die bisher lieber in die USA gegangen sind“. Auch der Präsident des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD), Theodor Berchem, begrüßt das angekündigte Zuwanderungsgesetz: „Endlich zieht Deutschland mit anderen westlichen Ländern wie Frankreich oder den USA gleich.“

Für die Begeisterung gibt es zwei Gründe: Zwei Änderungen zur erleichterten Aufnahme von Akademikern, auf die sich Rot-Grün und die Union geeinigt haben (jedenfalls hat bisher noch niemand aus der Union der Darstellung der Regierung widersprochen). Erstens: Hochqualifizierte Fachkräfte sollen künftig von Anfang an ein Daueraufenthaltsrecht und eine unbeschränkte Arbeitsgenehmigung erhalten – also so etwas wie die US-amerikanische Green Card. Das heißt, Hochqualifizierten bleibt der regelmäßige Gang zum Ausländeramt erspart, den die meisten Migranten auf sich nehmen müssen, um eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung zu erbitten. Als Hochqualifizierte gelten laut Mitteilung der Regierung Ingenieure, Informatiker, Mathematiker „sowie Führungspersonal in Wissenschaft und Forschung“.

Bisher galt für die Besitzer einer deutschen Green Card, die im Jahr 2000 eingeführt wurde, eine Begrenzung ihres Aufenthaltsrechts auf 5 Jahre. „Das hat viele Interessierte abgeschreckt“, so Deuflhard. „Nun scheinen wir ihnen endlich ein attraktives Angebot machen zu können.“

Die zweite Neuerung, die vor allem beim DAAD für Freude sorgt: Ausländische Studierende sollen nach Abschluss ihres Studiums in Deutschland eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr bekommen, um sich einen Job in Deutschland suchen zu können. Endlich, so DAAD-Chef Berchem, werde damit „Abschied genommen von dem ökonomischen Unsinn, Akademiker direkt nach ihrer Ausbildung an einer deutschen Hochschule wieder in ihr Heimatland zurückzuschicken, unabhängig davon, ob sie als Fachkräfte hier gebraucht werden oder nicht“. Die neue Regelung stellt für den Akademischen Austauschdienst „zum ersten Mal“ eine Perspektive für die ausländischen Talente dar, „ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in Deutschland langfristig einzusetzen“. Also alles bestens? Kann sich Deutschland jetzt auf einen Ansturm kluger Köpfe freuen? So weit würden – bei aller jetzigen Euphorie – weder der DAAD noch Matheprof. Deuflhard gehen. Schließlich bleiben einige Fragen offen und wichtige Forderungen der Wissenschafts-Community unerfüllt. So ist ungeklärt, ob es auch für die Lebenspartner der heiß umworbenen Spezialisten bessere Aufnahme- und Arbeitsmöglichkeiten als bisher geben wird. „Ohne eine Regelung für die Familien bleibt das Gesetz ein Torso“, warnt nicht nur Deuflhard.

„Man soll nicht glauben, es sei jetzt alles gelaufen“, sagt auch DAAD-Generalsekretär Christian Bode. „Der Teufel steckt im Detail.“ Es komme darauf an, sagte Bode der taz, „was die Politiker jetzt aus den guten Überschriften machen“. Die Erfahrung zeige, dass die Ausländerbehörden auch freundlich klingende Gesetze häufig restriktiv anwenden. Zu viele Ermessensspielräume dürfe es daher nicht geben. „Wir sind nach wie vor darauf angewiesen, dass der politische Konsens bis in die Amtsstuben dringt, wo die Stempel gestempelt werden.“

So sehen es viele. Georg Schütte etwa, der Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Wissenschaftler nach Deutschland holt. Oder der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Karl Max Einhäupl. Sie alle sagen: Unser Wissenschaftssystem braucht mehr Zuwanderung! Aber vor einer abschließenden Bewertung des Gesetzes wollen sie erst mal das Kleingedruckte abwarten. Die Skepsis scheint berechtigt. Das Kleingedruckte schreiben mit Otto Schily (SPD) und Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) zwei Männer, die nicht gerade für eine liberale Handschrift stehen.