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Archiv-Artikel

Invasion in der Primetime

Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie. Zu seinem 60. Jahrestag landet der„D-Day“ in den Fernsehsendern – mal als Doku, mal als Live-Bericht (!) oder auch als Doku-Fiction

VON CHRISTIAN BUSS

Wenn der Bundeskanzler da ist, darf der oberste öffentlich-rechtliche Geschichtsschreiber nicht fehlen. Gerhard Schröder wird am 6. Juni als erster deutscher Staatschef an den offiziellen Gedenkfeiern zur Landung der Alliierten in der Normandie teilnehmen, der ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp moderiert dann drei Stunden vor Ort – so was ist sonst eher bei königlichen Hochzeiten üblich. Die Livesendung ist der Abschluss einer Offensive, für die hiesige Fernsehanbieter ihre prominentesten Köpfe und Formate in Stellung gebracht haben. So erzählt für RTL „Anchor“ Peter Kloeppel in „Invasion im Morgengrauen“ den Verlauf des D-Day nach, während der in Sachen Geschichtsaufarbeitung bislang unauffällige Sender Pro7 in Koproduktion mit der BBC das Dokudrama „D-Day: Entscheidung in der Normandie“ zeigt. Zuvor hat Pro7 von der BBC vor allem Edutainment über Urzeitkreaturen übernommen, da stand D-Day eher für Dino-Day.

So unterschiedlich die Sender den Stoff auch aufarbeiten, zwei Dinge scheinen für Öffentlich-Rechtliche wie Private unerlässlich: Da ist der penetrante Hinweis auf farbiges Archivmaterial, mit der sie für ihre Dokumentationen werben – als würde Farbigkeit automatisch neuen Aufschluss über den Krieg gewähren. Und da ist die beinahe schon standardisierte Erzähltechnik, mit der die Schicksale von alliierten und deutschen Soldaten parallel gesetzt werden. Das tut Knopp in „Der längste Tag: D-Day“, jener Folge aus dem ZDF-Mehrteiler „Die Befreiung“, die heute noch einmal auf Arte läuft, genauso wie „Spiegel TV“: In dem Doku-Special „Todfeinde von Omaha Beach“ trifft ein Wehrmachtsschütze, der mit seinem MG circa 2.500 Alliierte getötet hat, auf einen ehemaligen amerikanischen GI, der die verlustreiche Invasion des Küstenabschnitts überlebt hat.

In solchen Spiegelungen offenbart sich das, was üblicherweise „der Wahnsinn des Krieges“ genannt wird – da schießen zwei nette Typen aufeinander, die hinterher gar nicht wissen, weshalb sie das getan haben. Gleichzeitig kann dadurch aber der Blick auf historische, ethische und juristische Dimensionen versperrt werden. Denn der „Wahnsinn“ folgte durchaus einer Methode: der des Krieges.

Durch die Gegenüberstellung von Einzelschicksalen kommt es häufig unweigerlich zu einer Relativierung der Schuldfrage. In den gefürchteten martialischen Off-Kommentaren der Knopp-Produktionen klingt das dann so: „Was Hitler begonnen hatte, schlägt nun gnadenlos zurück: Leid! Rache!“ Auf diese Weise nimmt sich ein völkerrechtlich legitimer Befreiungsschlag dann doch aus wie ein Rachefeldzug.

Das Doku-Fiction-Spektakel der BBC – an dem Pro7 finanziell, nicht aber gestalterisch beteiligt ist – schlägt da auch andere Töne an. Die Invasion wird hier als Mischung aus Melodram und militärischem Strategiespiel dargestellt. Der Überlebenskampf der Soldaten auf beiden Seiten wird ebenso nachgespielt wie die Täuschungsmanöver der Geheimdienste und das logistische Brainstorming der Generäle. Eine Menge Stoff für anderthalb Stunden Sendezeit – der allerdings so perfekt wie stellenweise auch perfide organisiert wird.

Gerade die viel beworbenen originalen Farbaufnahmen sorgen in „D-Day – Entscheidung in der Normandie“ für dokumentarische Schwammigkeit. Denn die Übergänge zwischen dem Archivmaterial und den mit der Handkamera in der Manier von „Der Soldat James Ryan“ fotografierten Spielszenen sind fließend. So erscheint die Fiktionalisierung des historischen Stoffes als umfassender Vorgang.

Zwischendurch werden immer wieder die in sich versunkenen englischen, französischen, amerikanischen und deutschen Veteranen gezeigt – als laufe die Invasion noch einmal vor ihrem inneren Auge ab. Als schleppten sie den Fluch der Geschichte mit sich rum. Das ist die Stärke dieses Doku-Melodrams: Hier wird nichts aus der Welt geredet. Eine Tatsache, die umso schwerer wiegt, wenn man sich vor Augen führt, dass dies wohl das letzte D-Day-Jubiläum gewesen ist, zu dem man im großen Stil Zeitzeugen befragen konnte.

„Der längste Tag: D-Day“, Arte, 2. 6., 20.40 Uhr; „Robert Capa – Kriegsfotograf“, ARD, 2. 6., 23.02 Uhr; „Operation D-Day“, Arte, 3.+4. 6.,19 Uhr; „Invasion im Morgengrauen“, RTL, 5. 6., 19.05 Uhr; „D-Day“, Pro7, 5. 6., 20.15 Uhr; „Spiegel TV Special: Todfeinde von Omaha Beach“, Vox, 5. 6., 22.05 Uhr; „D-Day in der Normandie“, ZDF, 6. 6., 14 Uhr