: Ohne Bedenken baden gehen
Seen und Küsten in Europa sind sauberer geworden. Sie erfüllen europäische Mindeststandards, heißt es im EU-Badereport. Allerdings: Manche Länder hübschen die Statistik auf, indem sie Schwimmen verbieten, sobald ein Umweltproblem auftaucht
VON NIKOLAI FICHTNER
Einen Reiseführer der besonderen Art hat gestern die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström vorgestellt: den Jahresbericht zur Qualität der Badegewässer in Europa. Rechtzeitig vor Beginn der Sommerferien können sich die Badeurlauber so ein Bild von den knapp 20.000 Gewässern in den 15 alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union machen. Sie können sich freuen, denn der positive Trend der letzten Jahre hat sich bestätigt.
In der alten EU erfüllen jetzt 97 Prozent der Küstengebiete und 92 Prozent der Binnengewässer die EU-Mindestbestimmungen zur Wasserqualität. Die Badegewässer-Richtlinie von 1976 regelt, wie viele Fäkalbakterien und Chemikalien vorkommen dürfen und wie Badegewässer überwacht werden müssen. Die Kriterien einzuhalten, ist wichtig für die Gesundheit: Unbehandeltes Abwasser und Tierabfälle können Badegebiete bakteriell verschmutzen und so beim Badeurlauber Magen-Darm- oder Atemwegserkrankungen auslösen.
In Deutschland fallen knapp 1.600 Binnengewässer und 400 Küstenzonen unter die Richtlinie. Fast alle erfüllen die Mindestkriterien. Besonders die Qualität der Seen steigt: 95 Prozent waren letztes Jahr EU-konform. Gleichzeitig ist allerdings die Anzahl der deutschen Badegebiete um 1,5 Prozent gesunken.
Die Kommission sieht hierin einen beunruhigenden Trend: Die Länder wiesen Badegebiete häufig nicht mehr als solche aus, sobald irgendeine Umweltproblem auftritt. Wallström: „Der richtige Ansatz ist die Bekämpfung der Verschmutzung und nicht die Beschneidung von Bademöglichkeiten.“ So hat Spanien in den letzten zehn Jahren 65 Prozent seiner Badeseen durch Verbote „verloren“. Ohne die „schwierigen Gebiete“ schafft es das Land, den Anteil seiner europakonformen Seen auf 96 Prozent zu steigern.
Musterschüler des Berichts sind die Niederländer: 100 Prozent der Küstengebiete und 99 Prozent der Binnengewässer erfüllen die Kriterien. Dazu gibt es kaum Badeverbote und mit gut 550 Badeseen eine eindrucksvolle Auswahl. Kritik übt die Kommission dagegen an den Briten: Dort erfüllen zwar 100 Prozent der Binnengewässer die Mindeststandards und werden ausreichend überwacht – mehr als 11 Badegebiete haben die Briten jedoch nicht zu bieten. Das ist der EU zu wenig.
Wer sich etwa über die polnischen Masurischen Seen informieren möchte, muss auf den nächsten Jahresbericht warten. Für 2003 mussten die neuen Mitgliedstaaten noch keine Daten nach Brüssel schicken.
Wallström forderte unterdessen den Rat und das Europäische Parlament dazu auf, den Vorschlag einer veränderten Badegewässer-Richtlinie zügig zu verabschieden. Die bisher gültige Regelung gilt inzwischen als durch die technische Entwicklung überholt. Die Neufassung erhöht das Schutzniveau und legt den Schwerpunk noch stärker auf die bakteriologischen Gesundheitsgefahren. Außerdem soll die Beteiligung der Bürger an der Bewirtschaftung der Badegebiete verstärkt werden.