: Rot-Grün splittet das Gentechnikgesetz
Weil die Union blockiert, feilt die Regierung an einer Regelung, mit der sie den Bundesrat in großen Teilen umgehen kann. So sollen die Länder beispielsweise bei der umstrittenen Haftung und dem Standortregister nicht mehr reinreden
BERLIN taz ■ Die Bundesregierung will das Gentechnik-Gesetz in zwei Teile aufspalten, in einen zustimmungspflichtigen Teil und einen, der ohne den Bundesrat verabschiedet werden kann. Dies erfuhr die taz aus Kreisen der Koalition. In den Ministerien für Justiz und für Landwirtschaft wird bereits an einer entsprechenden Fassung gearbeitet.
Vergangenen Donnerstag behandelte der Bundestag das Gesetz, das das Nebeneinander von herkömmlicher und gentechnischer Landwirtschaft regeln soll, in erster Lesung. Die Bundesregierung hatte angekündigt, die nicht zustimmungspflichtigen Teile im Alleingang durchzubringen, falls sich keine Einigung im Bundesrat erzielen lasse. Die Fülle der Änderungsanträge, die die Union bereits ins Spiel gebracht hat, ließ bei Rot-Grün offenbar jeden Glauben an eine Einigung schwinden. Dem Vernehmen nach soll bereits vor der dritten Lesung im Bundestag die gesplittete Version eingebracht werden. Die Regierung möchte die Regelung schnell in Kraft setzen. Immerhin haben in Sachsen-Anhalt bereits großflächige Anbauversuche begonnen.
Umstritten ist besonders die Haftungsregelung. Die Union verlangt einen Haftungsfonds anstelle der gesamtschuldnerischen Haftung, wie ihn Rot-Grün vorsieht. Dies würde einen Einstieg in die neue Technik praktisch verhindern, klagt auch Jürgen Hambrecht, Verbandspräsident der chemischen Industrie und Chef von BASF. Agrarministerin Renate Künast (Grüne) hingegen will den Fonds nicht: „Wer Schaden verursacht, muss auch dafür zahlen – ich denke nicht daran, die Folgekosten auf den Steuerzahler abzuwälzen.“
Bei der Haftung aber hat die Union wenig Chancen: Hier hat der Bundesrat kein Mitspracherecht. In dem nicht zustimmungspflichtigen Teil wird dem Vernehmen nach auch das Standortregister im Großen und Ganzen geregelt werden können. Eigentlich wollte die Bundesregierung auch die so genannte fachliche Praxis für Gentechnik-Saat im Detail beschließen. Sie regelt, wie die Landwirte beim Anbau vorgehen sollen. Die Einhaltung dieser Regeln würde vermutlich auch für die Haftung bedeutsam. Doch hier darf der Bundesrat mitreden.
Dafür will Rot-Grün einen Vorschlag des Bundesrates aufgreifen – und in seinem Sinne gestalten: Die Saatguthersteller müssten dann einen Beipackzettel zu ihrem Saatgut vertreiben, ähnlich dem von Medikamenten. Damit könnten die Landwirte indirekt doch zu bestimmten Standards verpflichtet werden – ohne die Zustimmung des Bundesrates zu benötigen.
Während die Union in Künasts bisherigen Gentechnik-Gesetzentwurf ein „Aufblähen der Bürokratie“ sieht und die FDP von einem „Glaubenskampf“ spricht, sind auf der anderen Seite auch die Umweltverbände unzufrieden. Greenpeace etwa verlangt eine Verschärfung des Entwurfs. Das Gesetz müsse „in zentralen Fragen verbessert werden, damit der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft nicht auf der Strecke bleibt“. Hartmut Vogtmann, der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, warnt indes vor einer Gefährdung der biologischen Vielfalt durch die Gentechnik.
MATTHIAS URBACH