Kampf um den Bremer Luftraum

Die Lobby von Obervieland hat über Jahre die Abflugroute zu Lasten der Hemelinger manipuliert, sagt Günter Rudolf aus Hemelingen. Der Petitionsausschuss gab ihm Recht. Aber hilft das?

VON KLAUS WOLSCHNER

„Das hätte ich mir am Anfang auch nicht träumen lassen, womit ich mich da beschäftigen muss“, sagt Elisabeth Motschmann – seit anderthalb Jahren nicht mehr Kultur-Staatsrätin sondern Vorsitzende des Petitionsausschusses. Und dieser Ausschuss, der meist ein Mauerblümchen-Dasein fristet, ist gerade dabei, Stadtpolitik zu machen: „Wendepunkt 2,5 oder 2,8“, das ist die Frage, und Motschmann ist auch da inzwischen Expertin.

Es geht schlicht darum, wo die Flugzeuge nach Süden abbiegen, wenn sie auf dem Bremer Flughafen Richtung Habenhausen gestartet sind. „,2,5“, das ist direkt hinter dem Einkaufszentrum Werder-Karrée, und „,2,8“ wäre ein paar hundert Meter weiter, etwa über dem Weserdeich. Der kleine Unterschied hat Folgen: Je früher die Flieger über Habenhausen abbiegen, desto mehr belästigen sie mit ihrem Lärm die Einfamilienhaus-Siedlungen im südlichen Habenhausen und in Arsten. Wenn sie aber erst über der Weser abbiegen, fühlen sich die Hemelinger vom Lärm mehr belastet als nötig. Daher kam die Beschwerde beim Petitionsausschuss der Bürgerschaft.

Der bestellte ein Gutachten bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) und siehe da: Bei einer Route „2,5“ wäre die Lärmbelastung unter dem Strich etwas geringer als bei dem Wendepunkt „2,8“. Der Beschwerdeführer Günter Rudolf aus Hemelingen fühlt sich bestätigt und fragt, warum denn die Flugsicherung das nicht gleich gesagt hat vor zwei Jahren, als auf seine erste Petition hin die derzeit geflogene Route über den Schwenkpunkt „2,8“ empfohlen wurde.

Uwe Hummert von der DFS hat dafür eine schlichte Antwort: Die Fluglärmkommission des Landes Bremen habe diese Route damals als „nicht gewollt“ ausgeschlossen, die DSF hat die Werte dafür nicht untersucht. Für die Hemelinger schließt sich ein Kreis: In der Fluglärmkommission sitzen viele aus dem Bremer Süden, und deren Interesse war es, ihre Stadtteile zu entlasten.

Am Donnerstag soll nun die Bürgerschaft über den Antrag des Petitionsausschusses entscheiden, mit dem das Landesparlament sich auf die neue Erkenntnis festlegen soll – die übrigens eine alte ist: Bis 2004 flogen die Flugzeuge dorther. Die SPD wird wohl auch zustimmen, Abgeordnete aus Obervieland wie Winfried Brumma eher zähneknirschend. „Ich sehe das natürlich kritisch“, sagt er.

Damit ist allerdings die Schlacht um den Luftraum über Bremen längst nicht geschlagen – die Bürgerschaft ist im Grunde das völlig falsche Gremium. Das Luftfahrtbundesamt entscheidet über die Flugrouten, die Bremer Fluglärmkommission, in der der Senat gerade vier von 23 Sitzen hat, kann nur beraten. Und in der Fluglärmkommission haben, stadtteilpolitisch gedacht, die „Obervieländer“ viel Gewicht, deren Ortsamtsleiter Ingo Funk ist der Vorsitzende.

Auch die Geschäftsführerin der Kommission, die Fluglärmbeauftragte des Bremer Senats Britta Giebelhausen, ist vom Votum des Petitionsausschusses nicht überzeugt. Man müsse die gesamte Lärmbelastung sehen, sagt sie, und die sei in Obervieland so hoch, dass aus diesem Grund vor zwei Jahren die jetzt vom Petitionsausschuss favorisierte Flugroute schlicht ausgeschlossen wurde: Die alte Linie, die jetzt neu vorgeschlagen wurde, habe sich eben „nicht bewährt“ – wegen der Proteste aus Habenhausen und Arsten, sagt Giebelhausen. Was die Fluglärmkommission dem Luftfahrtbundesamt demnächst empfiehlt, ist also durchaus noch offen.

Das Interessante an ihrer derzeitigen Aufgabe sei, sagt die ehemalige Kultur-Staatsrätin Motschmann, dass sie es im Petitionsausschuss hautnah mit den Problemen der Menschen zu tun hat.