: „Landwirte müssen künftig auch Energiewirte werden“
Landwirtschaftsministerin Renate Künast setzt bei der Suche nach Alternativen zum Öl auch auf die Bauern. Der Markt für Energie aus Biomasse wächst, sagt sie
Frau Künast, was führt eine Agrarministerin auf den Weltgipfel für erneuerbare Energien?
Renate Künast: Wir sind ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, Technologien zu fördern, die Alternativen zum Öl bieten. Das ist umwelt- und klimapolitisch wichtig. Das hilft aber auch unserer Landwirtschaft. Denn wenn nach den WTO-Verhandlungen der Agrarmarkt weiter liberalisiert wird, werden unsere Landwirte noch stärker unter Konkurrenzdruck geraten. Da wird die zusätzliche Einkommensquelle nachwachsende Rohstoffe noch wichtiger. Landwirte sollen künftig auch Energie- und Rohstoffwirte werden.
Was kann die deutsche Landwirtschaft auf der „Renewable“ dem Ausland bieten?
Biomasse ist weltweit der wichtigste erneuerbare Energieträger, das gilt auch für Deutschland und Europa. Die deutsche Land- und Forstwirtschaft stellen über 90 Prozent dieser Biomasse insbesondere über nachwachsende Rohstoffe direkt bereit. Sie haben hoch entwickelte Techniken zur energetischen Nutzung von Biomasse etwa bei der Biogaserzeugung, aber auch bei der Wärmebereitstellung aus Holz. Ein Technologietransfer würde die Effizienz der Biomassenutzung deutlich verbessern.
Ein Exportgeschäft für deutsche Anlagenbauer?
Als der chinesische Premier Wen Jiabao bei uns war – was hat er als Erstes besucht? Eine Biogasanlage! Edmund Stoiber hat ihn übrigens stolz wie Bolle dahin geführt. Als ich das in der „Tagesschau“ sah, bin ich fast aus dem Sessel gefallen: Schließlich blockiert Herr Stoiber im Bundesrat das EEG.
Sie meinen: Für Jiabao ist Biogas wertvoller als – sagen wir – der Transrapid?
Für die meisten Chinesen dürfte die Biogasanlage als direkt anwendbare Technologie interessanter sein als der Transrapid. Aber Biomasse ist für alle Länder attraktiv: Es gibt Schwellenländer wie Brasilien, die zum Beispiel im großen Stil Bioethanol produzieren. Die liefern heute schon in die Schweiz.
Welche Bedeutung hat Bioethanol?
Bei uns wird er aus Zuckerrüben, Weizen oder Roggen gewonnen. Drei Anlagen sind dafür in den neuen Bundesländern bereits im Bau. Bioethanol können sie verwenden, um die Oktanzahl von Benzin zu verbessern. Gleichzeitig kann damit ein Beitrag zur Reduzierung von schädlichen Klimagasen geleistet werden. Das Gute daran: Man kann Biomasse einsetzen, ohne parallele Strukturen zur Treibstoffversorgung aufbauen zu müssen.
Deshalb hat die Europäische Union diese Beimengungen von der Mineralölsteuer befreit?
Genau. Es geht aber noch um etwas anderes: Die EU hat mit „everything but arms“ ein Angebot an die AKP-Staaten gemacht. Wenn der Weltmarkt für Zucker erst richtig geöffnet wird, haben diese mit der EU assoziierten Länder Sorge, dass die Zuckerpreise ins Bodenlose fallen. Da ist Bioethanol ein Angebot zur Marktstabilisierung.
Über das EEG fördert der Bund eher Biogasanlagen und Holz-Heizwerke.
Das stimmt. Auch dafür gibt es einen Markt. Der derzeitige Verbrauch fossiler Energie muss bei der Wärmeversorgung, der Stromerzeugung und der Treibstoffversorgung nach und nach durch erneuerbare Energieträger abgelöst werden. Wir fördern Wärme, Strom und Treibstoffversorgung mit unterschiedlichen Instrumenten. Im Treibstoffsektor richten sich derzeit große Hoffnungen auf die BtL-Technologie.
BtL – was ist das?
„Biomass-to-Liquid“ – das sind völlig neue Verfahren, um aus Biomasse Kraftstoffe zu fertigen. Die stecken allerdings noch im Stadium von Forschung und Entwicklung. Diese Entwicklung wollen wir unterstützen.
Spielen die Autokonzerne mit?
Ich denke schon: Die spüren jetzt Druck, auch durch die steigenden Kraftstoff-Preise. Neue Trends, wie Toyotas Hybridmotor, wurden leider nicht in Deutschland entwickelt. Das sehen sie jetzt als Fehler.
Was ist mit den Bauern? Wollen die Energiewirte werden? Schon der Ökolandbau expandierte am Ende nicht wie erwartet.
Einige Funktionäre klagen da auf hohem Niveau. Die jungen Bauern und die Frauen sind dagegen offen für Neues. Wenn wir im Juli die Agrarreform in deutsches Recht umsetzen, dann werden die Prämien nicht mehr an konkrete Produkte gekoppelt sein. Die Bauern können sich am Markt orientieren und wenn keine Subventionen mehr fließen, finden sie Wachstum bei Energiepflanzen und Industrie-Rohstoffen. Denn der Markt für Energieprodukte ist ungeheuer groß. Im Übrigen: Auch der Ökolandbau zeigt kräftige Wachstumsraten.
INTERVIEW: MATTHIAS URBACH