: Saddam-Nachfolge geregelt
Mit seiner Ernennung zum irakischen Präsidentschaftskandidaten wird Ghasi al-Jawar offizieller Nachfolger des Ex-Diktators
AUS BAGDAD INGA ROGG
Er sieht aus wie ein arabischer Prinz, und in seinem Gesicht liegt immer ein Hauch von guter Laune. Scheich Ghasi Adschil al-Jawar unterscheidet damit schon äußerlich deutlich von seinem Vorgänger. Seit gestern ist Jawar Präsident des Irak, und damit offizieller Nachfolger von Saddam Hussein.
Mit der Ernennung von Jawar, Oberhaupt des Schammar-Stammes, hat sich der irakische Regierungsrat gegen die Widerstände Washingtons und Londons sowie des UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi durchgesetzt. Diese hatten auf die Ernennung des 81-jährigen Adnan Patschatschi gedrängt. Am Dienstagmorgen hieß es dann auch zuerst, Patschatschi werde Präsident. Kurz darauf gab dieser dann aber seinen Rückzug bekannt. Er lehne das Amt aus persönlichen und anderen Gründen ab, sagte Patchatchi. Zugleich wies er zurück, der Wunschkandidat der Koalitionsverwaltung gewesen zu sein. Aber der Präsident benötige die Unterstützung aller Teile der Bevölkerung.
Wegen der Zwistigkeiten zwischen dem Rat und Zivilverwalter Paul Bremer war die bereits für Montag geplante Ernennung verschoben worden. Mehrere Ratsmitglieder bezichtigen Bremer, massiv Druck zugunsten der Wahl von Patchatchi ausgeübt zu haben. Was wirklich geschah, liegt aber im Dunkeln. Ein Berater des kurdischen Politikers Massud Barsani widersprach der Darstellung und wies auf Brahimi, der hartnäckig an Patchatchi festgehalten habe. Im letzten Jahr versuchte die Koalition ihn mit großem Aufwand zur Integrationsfigur aufzubauen. Damit ist sie nun am Widerstand des von ihr eingesetzten Rates gescheitert. Jawar hatte im Gegensatz zu Patchatchi am Ende die Unterstützung sowohl der Schiiten wie auch der Kurden im Rat.
Am Widerstand des Rats war Brahimi in der vergangenen Woche bereits bei der Ernennung des Premiers gescheitert, wie er überhaupt seinen Plan aufgeben musste, eine Übergangsregierung aus so genannten Technokraten zusammenzustellen. Der Präsident wird gemäß der vorläufigen Verfassung in der Interimsregierung ein eher zeremonielles Amt innehaben. Ihm zur Seite stehen werden als Vizepräsidenten der Vorsitzende der schiitischen Dawa-Partei, Ibrahim al-Jaaferi, und Rowsch Schawajs von der kurdischen Demokratischen Partei. Wichtigster Mann in den nächsten Monaten bis zur Abhaltung von Wahlen wird Premier Ajad Allawi sein. Der Schiit, der wie viele irakische Politiker lange Jahre im Exil lebte, ist Chef des Iraq National Accord (Wifaq), einem Sammelbecken ehemaliger Offiziere und Kader der Baath-Partei. Er verfügt über langjährige Kontakte zur CIA und zum britischen Geheimdienst, zudem genießt er die Unterstützung von US-Außenminister Powell. Bei einer Pressekonferenz gratulierte Brahimi Jawar und Allawi zu ihrer Ernennung. Washington sicherte der neuen Regierung seine Unterstützung zu.
Kurz danach gab Allawi auch die Zusammensetzung seines Kabinetts bekannt. In einer feierlichen Zeremonie, in der es an Symbolik nicht fehlte und die live vom ehemaligen Präsidentenpalast übertragen wurde, legten die Regierungsmitglieder den Eid ab. Zugleich gab der Regierungsrat seine vorzeitige Auflösung bekannt. Ursprünglich sollte er bis zur formellen Wiederherstellung der Souveränität und dem Ende der Koalitionsverwaltung bestehen bleiben.
Das Übergangskabinett setzt sich aus einer Mischung von bereits amtierenden Ministern, ehemaligen Ratsmitgliedern und etlichen neuen Gesichtern zusammen. Dabei wurde bei der Verteilung der 26 Posten darauf geachtet, neben der ethnischen und religiösen Vielfalt auch den verschiedenen politischen Strömungen gerecht zu werden.
Erfahrung mit Ministerposten hat aber eigentlich nur die Riege kurdischer Politiker aus den Regierungen von Erbil und Suleimanija. Das Kabinett umfasst erstmals auch ein Frauenministerium mit der ehemaligen Erziehungsministerin Nermin Osman an der Spitze. Die wichtigste Aufgabe der Interimsregierung wird die Vorbereitung der Wahlen sein, die spätestens im Januar 2005 stattfinden sollen. Dazu muss sie sich auf ein Wahlgesetz einigen sowie auf die geplante Ergänzung der Verfassung, in der auf Drängen von Ajatollah Sistani das den Kurden zugesprochene Vetorecht über jede künftige Verfassung aufgeweicht werden soll.
In diesem schwierigen Prozess wolle er alle Bevölkerungsgruppen vertreten, sagte Jawar. Die Chancen, dass ihm das gelingen könnte, sind auf den ersten Blick nicht schlecht. Zwar ist der 46-jährige Ingenieur ein Sunnit aus der Gegend von Mossul, wo sein Schammar-Stamm sein Zentrum hat. Doch gehören dem Stamm, der einer der größten im Irak ist, auch viele Schiiten im Südirak an. Letztes Jahr sorgte der Stamm für Aufsehen, als er nach einem Disput einen Halbbruder Saddams an die Amerikaner auslieferte.