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Archiv-Artikel

Und dann kommt auch schon Jean Claude …

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Nord Sud in Berlin-Mitte ist kein Hype, sondern hat ein einfaches Konzept – gute Küche

Das Nord Sud in Mitte wurde immer wieder hoch gelobt. Freunde empfahlen es gerne und irgendwann wurde aus der Empfehlung ein Drängen. Es wäre nun endlich mal an der Zeit, das Restaurant zu besuchen. Aber die ganzen Geschichten von Jean Claude, dem Besitzer, der diesen Zweimannbetrieb so aufopferungsvoll betreibe, diese ganzen Lobhudeleien, das machte mich skeptisch. Wahrscheinlich, dachte ich, sitzen hier die Fliegen an der Wand und sie verkaufen ihr Wasser zu Goldpreisen. Aber ich war auch ein kleines bisschen neugierig. Eines Tages ging ins Nord Sud, nahm aber zur Sicherheit einen furchtbar zynischen Freund mit.

„Oh, ich habe schon so viel Gutes über diesen Laden gehört“, sagt er und schaut sich um. Das kleine Lokal ist kein typisches Szenelokal, sondern relativ einfach möbliert, mit simplen Holztischen und Stühlen. An gelben Wänden hängen Fotografien, die Farbe beißt. Fliegen sind nicht zu sehen. Und durch die großen Fenster kann man wunderbar auf die Straße schauen.

Das Lokal ist an einem Freitagmittag fast leer. Und dann kommt auch schon Jean Claude, zieht einen abgewetzten Block aus der Tasche und stellt vor: Es gibt keine Karte, sondern drei Menüs. „Ein cooler Typ“, urteilt der Freund. Ein Blick: Er meint es ernst. Tatsächlich kann man sich dem Charme von Jean Claude schlecht entziehen. Er ist nämlich witzig und gleichzeitig sehr ernst in seiner Ausführung. Menü eins: Fleischpastete, gefolgt von Hühnergeschnetzeltem in einer Pilz-Sahne-Sauce und Reis, Pflaumenkuchen zum Nachtisch. Menü zwei: Chili con Carne, danach ein Stück Schweinekotelett in einer Senf-Sahne-Sauce mit Drillingen, Apfelkuchen zum Nachtisch. Menü drei ist irgendetwas mit Fisch.

Das Chili wird in einer kleinen Schale als Suppe gereicht, die Fleischpastete auf einem Teller mit klitzekleinen sauren Gurken und Butter für das Baguette, das auch noch auf dem Tisch steht. Ich erwarte, dass der Zyniker jetzt sagt, dass seine Portion sehr klein sei und dass Geschirr und Besteck kaum zusammenpassten. Aber nein, stattdessen murmelt er: Oh. Und ah. Bei der Hauptspeise bin auch ich bereits auf Kuschelkurs, lächele Jean Claude an und genieße meine Senfsauce. Und freue mich sogar darüber, dass Jean Claude anscheinend seine CD mit den größten französischen Eurovisionshits eingelegt hat und mitsingt, während er seinen silberfarbenen Plastikweihnachtsbaum zusammenklappt.

„Hier müssen wir häufiger hin“, sagt der Freund und sieht für einmal richtig zufrieden aus. „Ja“, sage ich. „Gerne. Immer.“

RESTAURANT NORD SUD, Auguststr. 87, 10117 Berlin, Tel. (030) 97 00 59 28, Mo.– Sa. 12–24 Uhr, U-Bahn Oranienburger Tor, Menü 7,50 €, Wasser 1,80 €, abends Reservierung empfohlen