Viola Roggenkamp liest im Literaturzentrum aus ihrem Buch „Frau ohne Kind“
: Staatsgefährdender Egoismus?

Die Frau ohne Kind ist ein Thema. Doch weniger ihr konkreter Alltag ist von Interesse: In den fast täglichen Radio- und Zeitungsmeldungen erscheint sie vor allem als staatsgefährdendes Phänomen, denn wer soll künftig die Renten- und Gesundheitssysteme finanzieren, wenn nicht die Kinder, die zu gebären sich vor allem die gut ausgebildeten Frauen zunehmend weigern.

Wie sieht sie aber aus, die „Frau ohne Kind“? Sie ist 31 Jahre alt und Drehbuchautorin, 38 Jahre und promovierte Diplompädagogin, 49 Jahre und Richterin – drei von zwölf Frauen, die die Autorin Viola Roggenkamp zu einem üppigen Mahl eingeladen hat, um sie erzählen zu lassen, warum sie (bislang) keine Mütter geworden sind.

In dem Buch Frau ohne Kind, das sie jetzt im Literaturzentrum vorstellen wird, hat sie diesen Abend, die Geschichten und Gespräche, zusammengefügt. „Ich bin eine Frau, ich fühle mich. Ohne Kind? Mit Kind? Ich würde sagen: weder noch. Eben ich, ich halt, und mit demselben Recht wie er. Halt eben er, und ich auch, ich.“ Diese wenigen Worte der Drehbuchautorin Dorothea berühren einen zentralen Punkt, der die Runde umtreibt: Die Frage nach dem Blick von außen, der Frauen bis heute als potenzielle Mütter wahrnimmt, während es den „Mann ohne Kind“ in der öffentlichen Debatte schlicht nicht gibt – obgleich sein Anteil in der vergleichbaren Gruppe noch höher ist als bei den Frauen. Seine Verantwortung, die in der aktuellen Diskussion völlig ausgeblendet wird, – wer käme auf die Idee, ihm seine Berufstätigkeit als staatsschädigenden Egoismus vorzuwerfen? – fordern die Frauen ein. Und zwar auf privater wie gesellschaftlicher Ebene. Die gegenseitige Durchdringung beider begleitet alle Aspekte und ergibt sich auch durch Einzelbeiträge der Frauen: Ein Exkurs über die Sozialgeschichte der Frau ohne Kind erhellt, warum Lena, 31 Jahre, sich heute fragt, ob sie eine Frau sei, „die etwas nicht geschafft hat“ – die Nicht-Mutter als defizitäre Frau hat Tradition. Nicht alle eingeladenen Frauen sind freiwillig kinderlos, aber sie beanspruchen die Unterstützung durch den Mann. Der fehlt ganz oder will nicht Vater werden. Überhaupt ist das Vertrauen ins männliche Geschlecht nicht groß.

Für andere Frauen ist die Entscheidung, nicht Mutter zu werden, mit dem voranschreitenden Leben gewachsen. Sie hat sich ergeben aufgrund vieler Umstände, nicht zuletzt wegen des Berufs. Zu recht ist die in Deutschland besonders schlechte Infrastruktur für berufstätige Mütter immer wieder Thema. Aber diese Frauen sind mit sich selbst einverstanden, wenngleich die meisten ein Verlustgefühl kennen. Von einer ungelebten, spezifisch weiblichen Potenz ist oft die Rede.

Dies soll auch nicht angezweifelt werden, wenn auch anzumerken bleibt, dass es Frauen gibt, die sich aus freien Stücken gegen eigene Kinder entscheiden und sich das Leben damit nicht schwer machen. Zwei solcher Frauen scheinen auch in der Küche Roggenkamps zu sitzen, doch wird man bei der Lektüre das Gefühl nicht los, so ganz frank und frei mögen sie‘s nicht sagen, nicht ohne eine Art von Erklärung. Angesichts des offensichtlichen Anliegens der Autorin, Mutterschaft zu ent-ideologisieren, ist das irritierend. Dennoch: Roggenkamp hat eine ungewöhnliche Form gefunden, sich diesem hochkomplexen Thema so lebendig wie reflektiert zu nähern. Carola Ebeling

Viola Roggenkamp: „Frau ohne Kind. Gespräche und Geschichten – eine Tafelrunde.“ Hamburg/Wien 2004, 240 S., 17,90 Euro.Lesung: Mi, 9. 6., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38