: So schlecht wie nie
Handwerkskammer lobt den Senat und prügelt die rot-grüne Bundesregierung. Die meisten Betriebe sind pessimistisch
von PETER AHRENS
In Hamburgs Handwerkskammer-Präsident Peter Becker hat der Rechts-Senat einen Freund gefunden. Die Regierung von Beust starte „positive Aktivitäten und setzt ordnungspolitische Signale“, sparte der oberste Handwerker bei der gestrigen Jahres-Pressekonferenz der Kammer nicht mit Lob. „Der Elan der Aufbruchstimmung durch die Olympia-Bewerbung wird jetzt auf das Projekt ‚Wachsende Stadt‘ überführt“, glaubte er zu wissen und strich die „hervorragende Kontaktschiene zum Senat“ heraus. Dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Hansestadt schlecht wie lange nicht ist, kreidete Becker dagegen allein der Bundesregierung an. Und die ist rot-grün.
Vor allem die geplante Änderung der Handwerksordnung, mit der die Bundesregierung die Zahl der Meisterbrief-pflichtigen Berufe extrem verkleinern will, nannte Becker „einen Schlag ins Gesicht des Handwerks“. Dass die Bundesregierung damit mehr auf die „Ich-AGisten auf der Mikroebene als auf den gesunden Mittelstand setzt, ist aus meiner Sicht das sozialistische Modell, das keinen Mittelstand will“ – und der Mittelstand sei doch „das Rückgrat der Gesellschaft“. Wenn Rot-Grün es erlaube, dass demnächst auch Leute einen Friseursalon eröffnen, die keine entsprechende Ausbildung haben, dann „könnte man auch die Fahrschulen und Führerscheine streichen und sagen: Wenn du einen Unfall baust, hast du eben Pech gehabt“.
Dass Becker momentan schlecht auf die Bundesregierung zu sprechen ist, mag daran liegen, dass die Konjunkturflaute auch dem Hamburger Handwerk alles andere als gut tut. Die Umsätze sind im Vorjahr um zwei Prozent gesunken, die Beschäftigtenzahl im Handwerk nahm um 1,4 Prozent ab, und insgesamt 1.067 Betriebe verschwanden von der Hamburger Landkarte – wobei allerdings 90 von diesen in den Speckgürtel verzogen, um im Umland weiterzumachen. „Ein Ende der Talfahrt ist alles in allem noch nicht in Sicht“, sagte Becker und hatte dabei vor allem die darbende Baubranche und das Nahrungsmittelgewerbe im Auge. Die Frühjahrsumfrage der Kammer unter den Hamburger Betrieben habe ein Stimmungsbild ergeben, das „so schlecht war wie nie“. Nur sieben Prozent der Firmen berichteten über einen wirklich guten Geschäftsverlauf, 37 Prozent waren immerhin einigermaßen zufrieden, aber 56 Prozent klagten über Probleme und Zukunftssorgen.
Woran der Dauerbrenner Schwarzarbeit seinen genügenden Anteil hat. 15 Prozent der handwerklichen Leistungen in der Stadt werden schwarz erbracht – und das ist nur eine Schätzung der Kammer. Becker nimmt es den KundInnen allerdings auch gar nicht so übel. Eine offizielle Handwerkerstunde sei mit bis zu 55 Euro mittlerweile so teuer, dass „man heutzutage im Durchschnitt sechs bis sieben Stunden arbeiten muss, um einen Handwerker zu bezahlen“. Wobei von den 55 Euro gut die Hälfte auf das Zahlen von Steuern und Abgaben zurückzuführen sei.
Ausgebildet werde trotzdem unverdrossen, und darauf war Becker denn doch stolz. 2002 seien nur acht Lehrverträge weniger abgeschlossen worden als im Jahr davor. Der Präsident warnte denn auch davor, „Ausbildung zu verweigern, auch wenn die Zeiten schlecht sind“, dies sei „definitiv der falsche Weg“.