: Pfiffige Idee ohne Plan
Fachforum des BUND zum Senatskonzept „Wachsende Stadt“: Nur reiche Zuwanderer anzulocken funktioniert nicht. Ausweisung neuer Baugrundstücke ohne Rücksicht auf Flächennutzungsplan. Verkehrsproblem macht dem Bausenator Sorgen
von GERNOT KNÖDLER
Das Senatskonzept „Wachsende Stadt“ mag eine pfiffige Idee sein, sie ist jedoch nicht richtig durchdacht, wie ein Fachforum des Umweltverbandes BUND zu dem Thema nahe legte. Der Senat habe sich bei der Ausweisung von Baugebieten bisher kaum um den Flächennutzungsplan geschert, musste sich Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) im Architektur-Centrum anhören.
Statt alte Industrieareale oder ehemalige Bundeswehr- und Bahngrundstücke (Konversionsflächen) zu bebauen, mache er den Landkreisen auf der grünen Wiese Konkurrenz. Im Übrigen werde die Rechnung des Senats, nur Wohlhabende in die Stadt zu locken, nicht aufgehen. Jeder dieser gut ausgebildeten Kreativen brauche eine soziale Infrastruktur aus drei Gering-Verdienern: Putzfrauen, Kurierfahrer, Krankenpfleger.
Das dritte Thema war von dem Publizisten Gert Kähler in seinem Vortrag aufgebracht und von dem Stadtplanungsdozenten Dirk Schubert von der TU Harburg untermauert worden. Schubert verwies auf die Forschungen der US-Soziologin Saskia Sassen zu den „Global Cities“. Das sind Zentren der globalisierten Wirtschaft, in denen sich die Kaufleute, Banker und Versicherer tummeln, die die internationalen Geschäfte abwickeln – aber auch diejenigen, die ihnen zuarbeiten und das Funktionieren der Metropolen ermöglichen.
Wachsende Stadt braucht sozialen Wohnungsbau
In erfolgreichen Zentren wie München oder London ist das Leben für diese Zuarbeiter schwierig geworden. Sie können sich von ihrem schmalen Gehalt die teuren Stadtwohnungen nicht mehr leisten und haben täglich stundenlange Wege zur Arbeit. London sei dazu übergegangen, bei jedem Bauprojekt einen 30-prozentigen Anteil an Sozialwohnungen vorzuschreiben, berichtete Schubert. Kähler forderte daher: „Wir brauchen für die Wachsende Stadt weiter Sozialen Wohnungsbau.“
Alle Zuwanderung wäre jedoch vergeblich, wenn es dem Senat nicht gelingt, die Abwanderung von Hamburgern zu stoppen, so der Publizist. „Was tun Sie für die Leute, die hier schon wohnen?“, fragte eine Zuhörerin den Senator.
Dieser blieb die Antwort schuldig, bekannte aber, er habe „auch erhebliche Sorgen, was den Verkehr betrifft“. Hamburg müsse auf Busse und Bahnen setzen und dies attraktiv gestalten. Den Hinweis von BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch, eine Straßenbahn (Stadtbahn), wie sie Rot-Grün einführen wollte, hätte die stärkste Verkehrsverlagerung bewirkt, zog Mettbach in Zweifel.
Kähler plädierte dafür, Baugrundstücke in Hamburg zu subventionieren, um das Baupreisgefälle zum Umland zu verringern. Überdies müssten „identifizierbare Nachbarschaften mit positivem Image“ geschaffen werden. Dabei bezeichnete Kähler einerseits exklusive bewachte Wohnviertel wie in den USA als unausweichlich. Andererseits machte er sich für „gemischte Quartiere“ stark. Selbst wenn man innerstädtische Konversionsflächen etwas lichter bebaute und damit mehr soziale Stabilität ermögliche, würde die Stadt noch immer verdichtet. Die Binnenverdichtung sei eine „einmalige Chance“, für die geworben werden müsse.
Möller forderte den Senator auf, politischen Druck auf unwillige Eigentümer von Konversionsflächen auszuüben. Tobias Behrens vom alternativen Sanierungsträger machte Mettbach darauf aufmerksam, dass er seinen Handlungsspielraum als Bausenator nicht ausgeschöpft habe. Er schlug vor, Sanierungsgebiete großflächiger auszuweisen. Die Finanzbehörde müsse umdenken und kleinen Investoren eine Chance geben. Behrens: „Wir brauchen eine kleinteilige Bauherrenschaft.“
Einhellige Kritik gab es an der Art, in der bereits seit den 90er Jahren geplant werde. Statt vom Flächennutzungsplan ausgehend Bebauungspläne zu erlassen und Genehmigungen zu erteilen, sei „zum Teil die Planungshierarchie umgedreht“ worden: Es melde sich ein Investor, für den eine Ausnahme vom Flächennutzungsplan gemacht werde. „Es gibt einen Flächennutzungsplan und ein Artenschutzprogramm“, so Matthias Precht von der Bürgerbewegung Klein Borstel: „Aber es hält sich keiner dran.“