: Billigappartements bald wieder gefragt
Sozialberater: Anträge zum Arbeitslosengeld II zu kompliziert. Und vielen Erwerbslosen droht Umzug
BERLIN taz ■ Wer erwerbslos ist und demnächst Arbeitslosengeld II beziehen soll, der bekommt in den nächsten Monaten aufwändige Post. Dann nämlich, wenn die Arbeitsagenturen die Fragebögen verschicken, in denen Joblose nicht nur über ihre, sondern auch über die Lebensverhältnisse von Ehepartnern oder fester FreundIn Auskunft geben müssen. „Diese Daten aufzunehmen, wird eine Katastrophe werden“, sagt Harald Thomé, Vorsitzender des Arbeitslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles in Wuppertal, der ein jetzt schon bekanntes Muster der Fragebögen ins Internet gestellt hat (www.tacheles-sozialhilfe.de).
In dem Antragsformular, das in der Endfassung 20 Seiten umfassen soll, wird nicht nur nach Arbeitseinkommen und Unterhaltszahlungen, sondern auch nach Bargeld und Kapitalbesitz von Joblosen und PartnerIn gefragt. Hinzu kommt die Erhebung von „sonstigem Vermögen“, wie „Edelmetallen, Antiquitäten, Gemälden“. Auch die Frage, wie viel Stunden täglich der Partner erwerbsfähig ist und ob er ein Auto besitzt, muss im Formular beantwortet werden.
Wenn von Beginn 2005 an das Arbeitslosengeld II gewährt werden soll, gelten dafür nämlich fast so strenge Regeln wie heute in der Sozialhilfe. Die heikelste Neuerung: Künftig werden die Kommunen die Unterkunftskosten für eine „angemessene Wohnung“ der Langzeitarbeitslosen übernehmen – die Frage, was „angemessen“ ist, treibt daher viele Erwerbslose jetzt schon um.
„Wir gehen davon aus, dass sich die Kommunen bei den Unterkunftskosten in etwa an die Regelungen in der Sozialhilfe anlehnen“, sagt Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. In der Sozialhilfe gilt für einen Alleinstehenden eine Unterkunft von nicht mehr als 45 Quadratmetern als „angemessen“. Die Städte zahlen dabei unterschiedliche Mieten pro Quadratmeter, die gezahlten Mietkosten variieren daher je nach Region zwischen 200 und 300 Euro warm im Monat. Viele Langzeitarbeitslose aber haben höhere Mieten. „Sie werden künftig gezwungen sein, ihre Wohnung aufzugeben und umzuziehen“, befürchtet Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.
Laut Gesetz müssen die Kommunen erst mal auch eine teure Miete übernehmen, erst danach können sie auf die Arbeitslosen einwirken, sich innerhalb eines halben Jahres eine günstigere Wohnung zu suchen. Trotzdem befürchten die Kommunen eine Kostenlawine: Allein Mehrbelastungen von 3 Milliarden Euro seien bisher noch „völlig ungedeckt“, sagte Sprecher Volker Bästlein vom Deutschen Städtetag der taz. BARBARA DRIBBUSCH