: Die Legion der Schurken
Pinochet-Soldaten, Apartheid-Schergen, Waffenschieber unter UN-Sanktionen – eine bunte Mischung aus privaten Militärs dient den USA im Irak
VON FRANÇOIS MISSER
Nach der US-Armee ist die Armee der Angestellten privater Militärfirmen das zweitgrößte ausländische Kontingent im Irak. Die niedrigsten Schätzungen geben ihre Zahl mit 12.000 an. Allein in Großbritannien, sagt David Claridge, Generaldirektor der britischen Janusian, ist der Umsatz privater Militärfirmen wegen des Irakkriegs von 320 Millionen auf 1,8 Milliarden Dollar im Jahr gestiegen. Nie seit den Napoleonischen Kriegen, so der US-Analytiker Peter Singer, sind privat agierende Kämpfer in einem Krieg einer solcher Dimension so wichtig gewesen.
Über 400 Firmen teilen sich den Markt im Irak. Viele davon schützen Öleinrichtungen, Banken, ausländische Wohnviertel und Büros. Die Gurkhas der britischen Global Risk (1.100 Mann) schützen das britische Armeehauptquartier in Basra. Dänemark lässt die Mitarbeiter seiner staatlichen Entwicklungshilfsbehörde Danida von der dänischen Group 4 Falck bewachen, und die britisch-südafrikanische Erynis schützt Pipelines.
Bei Erynis handelt es sich um eine regelrechte Privatarmee, mit 1.500 Südafrikanern als Kern von 9.000 irakischen Wachleuten. Die Südafrikaer tragen Sturmgewehre und können auf autonome Luftlandeverstärkung zurückgreifen. Custler Battles aus Virginia durchsucht nicht nur das Gepäck am Flughafen von Bagdad, sondern darf auch bei Raketenbeschuss und auf Sniper zurückschießen. Die Firma Dyncorp hat für 50 Millionen Dollar im US-Regierungsauftrag 1.000 Ausbilder nach Irak geschickt, um eine neue Polizei aufzubauen; die US-Basen in Kuwait werden von Combat Support Associates im Rahmen eines Zehnjahresauftrags über 600 Millionen Dollar betreut. Auf 48 Millionen Dollar summiert sich das Honorar von Vinnell, das die neue Armee des Irak aufbauen soll und bereits die Nationalgarde von Saudi-Arabien trainiert.
Es ist eine regelrechte Internationale, die sich da im Irak versammelt hat. Und nicht nur Bürger der „Koalition der Willigen“ sind darin vertreten, denn die Vertragspartner des Pentagons in den USA geben ihre Aufträge oft an kleinere Firmen in anderen Ländern weiter. So hat José Miguel Pizarro, ehemaliger Offizier der Armee Pinochets in Chile und heute Führer der uruguayischen Sicherheitsfirma Neskowin, 120 chilenische Söldner im Auftrag der US-Firma Blackwater nach Bagdad geschickt. Er werbe jetzt Armeeveteranen aus Argentinien an, sagte der Exoffizier der chilenischen Zeitung La Tercera. Auch ehemalige Antiaufstandspolizisten aus São Paulo sind schon in Bagdad gesehen worden.
Unter den 1.500 Südafrikanern von Erinys befinden sich altbekannte Mitglieder von Todesschwadronen der Apartheid-Armee. Dass Deon Gouws von der Einheit Vlakplaas und François Strydom von der in Namibia zum Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung stationierten Eliteeinheit Koevoet im Irak kämpften, wurde erst bekannt, als sie dort im Januar bei einer Explosion ums Leben kamen. Gray Branfield, der in Kut als Angestellter der britischen Hart Group ums Leben kam, plante 1985 den Überfall der südafrikanischen Armee auf ANC-Exilanten in Botswanas Hauptstadt Gaborone, bei dem 14 Menschen getötet wurden, darunter ein fünfjähriges Kind. Im Irak findet man auch frühere serbische Milizionäre und eine Menge Franzosen, Rumänen und Südkoreaner.
Nicht alle sind gleich. Ehemalige britische SAS-Soldaten stehen ganz oben in der Rangliste und können bis zu 1.000 Dollar am Tag verlangen. Gurkhas verdienen immerhin 9.000 Dollar im Monat, Südafrikaner und Südamerikaner 1.500 bis 6.000. Iraker bekommen rund 150 Dollar.
Die hohen Gehälter führen dazu, dass im Irak inzwischen mehr SAS-Soldaten in privatem Auftrag stehen als im Dienste Ihrer Majestät. Selbst das Pentagon sorgt sich, wie viele Green Berets und Navy Seals die Streitkräfte verlassen, um bei privaten Firmen neu anzuheuern und den gleichen Job für mehr Geld mit weniger Kontrolle ausüben zu können. Je mehr nationale Kontingente aus dem Irak abziehen – Spanien, Honduras, Nicaragua, Dominikanische Republik sind bereits weg, Kasachstan, Singapur, Thailand und die Philippinen überprüfen ihre Präsenz, Australiens Opposition droht mit Rückzug im Falle eines Wahlsiegs noch in diesem Jahr –, desto mehr müssen UN-Behörden, Botschaften und Unternehmen auf die private Konkurrenz zurückgreifen. Zumal die USA und auch Großbritannien wachsende Probleme mit der Rekrutierung für ihre Armeen haben.
Je größer die Unsicherheit, desto stärker die Nachfrage für Privatfirmen – und dies verstärkt die Unsicherheit weiter. Die Besatzungsbehörde CPA schätzt, dass die Zahl der privaten Kämpfer im Irak nach der Souveränitätsübertragung am 30. Juni auf 30.000 steigen könnte.
Die Ausbreitung des privaten Militärwesens im Irak beeinträchtigt auch internationale Versuche, die Privatisierung von Kriegen anderswo auf der Welt und die Aktivitäten von Waffen- und Rohstoffschmugglern einzudämmen. Der Ukrainer Victor Bout, der in vielen Kriegen Afrikas von Angola über Kongo bis nach Liberia immer wieder als mutmaßlicher Waffenlieferant und Embargobrecher auftaucht und der wegen Waffengeschäften mit Liberias Exdiktator Charles Taylor während des 2003 beendeten Bürgerkriegs dort unter UN-Sanktionen steht, hat laut Financial Times dem US-Militär im Irak Transportflugzeuge zur Verfügung gestellt. Wie die Zeitung schrieb, gebe es nun Druck seitens der USA, ihn von der Liberia-Sanktionsliste der UNO zu nehmen. Als US-Senator Russ Feingold vom US-Verteidigungsministerium wissen wollte, ob all dies stimmt, gab es kein Dementi. US-Verteidigungsstaatssekretär Paul Wolfowitz versprach einfach, „das Problem zu prüfen, falls es existiert“.