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Archiv-Artikel

Betriebsrenten auf Sand gebaut

Die Altersvorsorge über die Firma soll zum zweiten Standbein neben der gesetzlichen Rente werden. Doch die Pensionskassen leiden unter dem Aktientief. Experten zweifeln an der Zahlungsfähigkeit einiger Kassen. Wer einspringen müsste, ist ungeklärt

von HERMANNUS PFEIFFER

Das Geld für unsere Renten soll immer kräftiger aus einer zweiten Quelle sprudeln, jedenfalls, wenn es nach dem Willen neoliberaler Modernisierer geht: den Betriebsrenten. Die Modernisierer wollen den Anteil der betrieblichen Altersvorsorge am Rentenkuchen möglichst bald wie in der Schweiz und den Niederlanden auf 30 oder 40 Prozent in die Höhe treiben. Bislang macht die Betriebsrente in Deutschland noch bescheidene 5 Prozent aus. Seit kurzem jedoch kommen Zweifel an der Solidität hiesiger Pensionskassen auf.

Diese Zweifel nährt ausgerechnet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin). Ihr „Jahresbericht 2002“ bewertet 136 Pensionskassen, die unter Bundesaufsicht stehen. So genannte Stresstests zeigen, dass die Zahlungsfähigkeit dieser Kassen schon im Jahr 2001 deutlich gesunken ist. Bei zwei Pensionskassen wurde sogar eine Unterdeckung festgestellt, das Kapital reicht also nicht aus, um alle Rentenansprüche langfristig zu befriedigen. Die zwei Schieflagen sollen inzwischen begradigt worden sein.

In Fachkreisen schätzt man die Lage noch ernster ein. Das Versicherungsjournal befürchtet, in der Bundesfinanzaufsicht regiere das „Prinzip Hoffnung“. Nahezu die Hälfte der Pensionskassen lebe seit längerem über ihre Verhältnisse. Finanzlöcher seien lange aus künftigen Überschüssen und aus stillen Reserven der Kapitalanlagen gestopft worden. „Damit dürfte durch die Kapitalmarkt-Entwicklung weitgehend Schluss sein“, meint Mitarbeiter Detlef Pohl. Er verweist auf die Aktienflaute und viele stille Lasten in den Bilanzen. Auch Manfred Poweleit, Chef des Branchenblatts Map-Report, erwartet in diesem Jahr „vermehrte Unterdeckung bei Pensionskassen“. So dürften einige Kassen faktisch zum Umlageverfahren zwischen Alt und Jung übergegangen sein, wie es in der gesetzlichen Rentenversicherung üblich ist, und finanzieren aktuelle Renten aus neuen Beiträgen.

Die Bedeutung von Pensionskassen nimmt seit der Rentenreform 2001 „stark zu“, beobachtet Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. 71 Milliarden Euro verwalten die Kassen inzwischen – auf dem Papier. Bisher hat es, soweit bekannt, seit 1945 noch keine Pleite gegeben und auch zukünftig erscheint eine handfeste Insolvenz unwahrscheinlich. Grundsätzlich aber können Pensionskassen Pleite gehen.

Allerdings unterliegen sie strengen Anlagevorschriften, die von der Versicherungsaufsicht überwacht werden. Der Gesetzgeber hält dies für einen ausreichenden Schutz und verzichtet auf einen zusätzlichen „doppelten Boden“, mit dem er die klassische Betriebsrente schützt. Solche Direktzusagen an ihre Lohnabhängigen müssen die Unternehmen beim Pensionssicherungsverein (PSV) versichern, der notfalls einspringt. Im vergangenen Jahr rettete der PSV 92.907 Renten von Pleitefirmen. Auch die neuen und bis vor kurzem in Deutschland verbotenen Pensionsfonds sind nicht über den PSV abgesichert. Fonds müssen lediglich die eingezahlten Beiträge, aber nicht eine Verzinsung garantieren.

Möglich ist dagegen, dass Pensionskassen heute oder morgen die zugesagten Renten nur teilweise abstottern können. Ein solches Loch im Portemonnaie der Rentner würde dann freilich niemand einfach stopfen. Die Finanzaufsicht passt nur auf. Sollte die Kalkulation einer Pensionskasse schief gehen, ist ihr Job getan. Ob der Arbeitgeber haftet, ist zumindest umstritten, beispielsweise meint der Bundesverband Verbraucherzentralen „ja“, Harald Jäger von der Versicherungsgruppe Hannover dagegen „nein“. Eine juristische Klärung steht in den Sternen. Und die neue Auffanggesellschaft der Versicherungswirtschaft, Protektor, springt nur bei Lebensversicherungen rettend ein.

78 Prozent der Unternehmen bieten ihren Beschäftigten eine Altersvorsorge über den Chef an. Inzwischen dämpft aber selbst die Bundesbank allzu kühne Erwartungen an die kapitalgedeckte Altersvorsorge. Zwar müsse aufgrund der demografischen Probleme die individuelle und betriebliche Altersvorsorge weiterhin „gestärkt werden“, aber angesichts „erheblicher und schwierig einzuschätzender Risiken“ dürften Rentensparer die Risikostreuung nicht aus dem Auge verlieren. Begeisterung klingt anders.