: Konzerne bitten Schüler zur Kasse
Um die Finanzlöcher bei Kindergärten, Schulen und Universitäten zu stopfen, wollen Experten des Instituts für Wirtschaft die Lernenden belasten: Je nach „Nachfrage“ sollen sie – oder ihre Eltern – die Kosten tragen. Verschont wird nur: die Wirtschaft
von CHRISTIAN FÜLLER
Es geht um die Wurst bei Schulen und Hochschulen, genauer ums Geld. Sowohl die Hochschulrektorenkonferenz als auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) haben gestern vor der dramatischen Unterfinanzierung des Bildungssektors gewarnt. Die Schlussfolgerungen allerdings, die sie daraus ziehen, könnten widersprüchlicher nicht sein: Während die Rektoren der 320 Mitgliedshochschulen den Bund in die Pflicht nehmen wollen, wollen die Ökonomie-Forscher die fehlenden Milliarden bei Eltern, Schülern und Studenten eintreiben.
Das Institut der Wirtschaft, eine Forschungs- und Denkstube der Industrie, nennt seine Lösung für die pekuniären Probleme des deutschen Bildungswesens vornehm „nachfrageorientierte Finanzierung“. Gemeint ist damit dieses: „Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, vollständige Privatisierung der Schülerfahrtkosten, die Beteiligung der Eltern an der Ganztagsbetreuung“. Zudem erwarten die Kölner Forscher, dass das „anachronistische Studiengebührenverbot“ fällt. Es gehe nicht darum, ob, sondern wie Studierende sich an der Finanzierung der Hochschulen künftig beteiligen. Das IW sieht einen höheren Finanzbedarf im Bildungssektor, weil es um die Kindergärten nicht gut bestellt ist. Sie müssten künftig auch schon für Zweijährige offen stehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland zu vereinfachen. Die Kitas sollen zudem dringend in ihrer pädagogischen Qualität verbessert werden.
Das bringt der Wirtschaft viel und kostet Milliarden. Eigene finanzielle Anstrengungen von Unternehmen sehen die Forscher des IW allerdings nicht vor. Das Institut wird finanziert durch die großen Industrie- und Wirtschaftslobbyisten wie BDA, BDI oder den Verband der Automobilindustrie. Personell beaufsichtigt wird das IW durch die Chefs von Allianz, Daimler oder Degussa.
Parallel zum IW haben auch die deutschen Rektoren vor einer drohenden Unterfinanzierung ihrer Hochschulen gewarnt. Vor allem der (Aus-)Bau von Hochschulen und deren Ausrüstung mit Großgeräten sei akut gefährdet. Hintergrund ist die Forderung mancher Länder, künftig allein für die Schulen und Hochschulen zuständig zu sein. „Sollen an den Universitäten in Rostock und Greifswald die Lichter ausgehen?“, stellte Rektorenpräsident Klaus Landfried rhetorisch die Folgen dieser Politik in Frage. Landfried sagte, die Länder seien bereits jetzt damit überfordert, die Instandhaltung ihrer Hochschulen gemeinsam mit dem Bund zu finanzieren. Allein wären sie dazu noch weniger in der Lage. Das zeige sich aktuell darin, dass bereits jetzt Milliardenbeträge zur Renovierung fehlten.
Der Rektorenchef, der im August sein Amt an den Berliner Mediziner Peter Gaehtgens übergibt, machte einen Finanzierungsvorschlag: „Es wäre genug Geld da, wenn man beim Subventionsabbau für Kohle und Landwirtschaft etwas entschlossener zufassen würde.“
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