Der Papst stört die Schiffsruhe

Beim Weltjugendtag 2005 will Johannes Paul II. auf den Poller Wiesen eine Messe zelebrieren. Doch die stehen unter Denkmalschutz, weil dort etwa 40 Schiffe aus dem 16. Jahrhundert vergraben liegen

VON JÜRGEN SCHÖN

Das Rheinland scheint kein gutes Pflaster für den Weltjugendtag 2005 zu sein. In der Hangelarer Heide, wo Papst Johannes Paul II. die Abschlussfeier zelebrieren soll, wollen ihn die Naturschützer nicht, weil dort seltene Kröten leben. Und jetzt hat Kölns oberster Bodendenkmalpfleger, Hansgerd Hellenkemper, Bedenken angemeldet, weil er durch den Eröffnungsgottesdienst auf den Poller Wiesen Gefahren für ein wichtiges Zeugnis Kölner Geschichte wittert: Unter den Wiesen liegen etwa 40 mehrere Jahrhunderte alte Schiffe, die Köln einst die Ortsbezeichnung „am Rhein“ sicherten. Kurzentschlossen stellte er das Gelände unter Denkmalschutz, die Regelung trat am 7. Mai in Kraft.

Es war im Jahr 1583. Der Rhein drohte an den heutigen Poller Wiesen sein Bett zu verlassen und im Osten von Deutz nach Norden durchzubrechen. Dann wäre Köln nicht mehr am Strom gelegen und hätte unter anderem sein Stapelrecht verloren; dieses zwang damals die Rheinschiffer, ihr Ladegut in Köln auszuladen und drei Tage lang den einheimischen Kaufleuten zu einem Sonderpreis anzubieten. Nicht zuletzt dadurch war Köln damals eine der reichsten Städte nördlich der Alpen.

Kurzerhand charterten die Kölner 40 bis 50 Schiffe, beluden sie mit Unkeler Basaltsäulen und versenkten sie an der Gefahrenstelle als „Uferbefestigung“. Der Rhein blieb – bis heute – an sein Bett gefesselt. In den historischen Quellen, so Hellenkemper, ist die Rede von „unglaublichen Kosten“, er selber schätzt den Aufwand auf umgerechnet 100 Millionen Euro.

Im Laufe der Zeiten versanken die Schiffe im Schlick, sie liegen heute wenige Meter unter der Erdoberfläche. Ihre Existenz war lange vergessen, erst im letzten Jahr „tauchten“ sie wieder auf – durch Zufall. Die GEW bohrte eine Rohrleitung unter dem Rhein. Als der Bohrer auf der Poller Wiese wieder ans Tageslicht kam, spuckte sie Holz aus. „Wären da nicht aufmerksame Fußgänger gewesen, hätten wir nichts davon erfahren“, erinnert sich Hellenkemper. So aber rückten die Archäologen aus, gruben zwei halbe Schiffe frei – und schütteten sie wieder zu.

„So sind sie wenigstens geschützt“, erklärt der Direktor des Römisch-Germanischen Museums. Denn für eine „Lustgrabung“ fehle derzeit das Geld. Mehrere 100.000 Euro würde es kosten, ein Schiff auszugraben und zu konservieren. Das vorhandene Geld aber werde aktuell für archäologische Arbeiten beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn gebraucht. Dabei hätte Hellenkemper verdammt viel Lust, auf den Poller Wiesen zu graben. Denn kein Museum kann einen „Oberländer“ vorweisen, wie sie dort liegen. Die klassischen Transportschiffe dieser Zeit, flach gebaut, etwa 15 Meter lang und 4,50 Meter breit, wurden von Menschen oder Pferden getreidelt.

Wenn dort jetzt, wie geplant, am 16. und 18. August 2005 der Papst eine Messe zelebriert, müssen dort ein Asphaltweg für das Papamobil und ein temporäres Fundament für den Altar gebaut werden. „Wir haben schon im Vorfeld versprochen, alles wieder naturverträglich abzubauen“, sagt Matthias Kopp, Pressesprecher des Weltjugendtages. Deshalb habe er auch keine Probleme, mit dem Bodendenkmalamt zusammenzuarbeiten.

Das ist auch gesetzlich vorgeschrieben. Hellenkemper will die Feiern nicht verhindern, aber seine verborgenen Schätze schützen. „Es könnte sein, dass sich durch die Bauarbeiten die unterirdischen Strömungen verändern und die Schiffe austrocknen.“ Aber er ist überzeugt: „Wir finden eine Lösung.“

Einen anderen Ort für die erwarteten bis zu 350.000 Pilger gibt es für Kopp nicht. Der Butzweiler Hof, wo der Papst 1980 bei seinem ersten Köln-Besuch gefeiert wurde, sei inzwischen zersiedelt. Was die Hangelarer Heide betrifft, werte er zur Zeit eine Studie aus, ob es dazu eine Alternative gibt; Umweltschützer hatten ein Gelände nahe Bornheim auf der anderen Rheinseite vorgeschlagen. Und noch ein Problem hat Kopp: Von der Stadt erwartet er einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro. Als Gegengabe bietet er das Köln-Logo auf den Pilgerrucksäcken. Die Verhandlungen laufen noch.