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Archiv-Artikel

„Das ist eine Frage der Priorität“

Kölns schwarz-grüne Koalition vollzieht die Wende: Kürzungen im Jugendbereich werden zurückgenommen, es soll sogar mehr Geld für Betreuung geben. Im Gespräch mit der taz erklärt die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz den Sinneswandel

Interview Susanne Gannott

taz: Frau Moritz, in der nächsten Ratssitzung will Schwarz-Grün einen Antrag einbringen, wonach 2004 bei den Horten nicht gekürzt wird und die Offene Ganztagsschulen durch zusätzliche Mittel besser gestellt werden sollen. Wie kam es zu dem Beschluss?

Barbara Moritz: Als es letztes Jahr um die Einführung der Offenen Ganztagsschule – Ogata – ging, steckten wir mitten in der Haushaltskonsolidierung und mussten in jedem Ressort sparen. Also haben wir beschlossen, den städtischen Anteil von 410 Euro pro Kind einzusparen – der eigentlich, wie es die Landesregierung wollte, in die Ogata gesteckt werden sollte – und als Konsolidierungsbeitrag für den Haushalt zu nehmen. Dadurch ist die Ogata ziemlich schlecht ausgestattet und ausgesprochen unattraktiv. Und gleichzeitig sollten die Horte schrittweise abgebaut werden. Aber nun haben wir in Köln eine sehr hohe Hortversorgung mit circa 14 Prozent. Die kann die Ogata überhaupt nicht kompensieren. Und so bekamen wir wahnsinnig viele und berechtigte Proteste. Einmal aus der Hort-Szene, denn die hatten ja gute Plätze und sollen sie verlieren. Und die Ogatas beschwerten sich, weil sie so schlecht ausgestattet sind. Und so ist uns im Laufe der öffentlichen Debatte aufgefallen, dass das nicht das Gelbe vom Ei war.

Was ist jetzt konkret geplant?

Inhalt der Änderungen, über die wir schon seit einigen Monaten mit der CDU und dem Kämmerer verhandeln, ist: In diesem Jahr fließen 1,8 Millionen Euro zusätzlich in die Horte, so dass die Hortversorgung für das Schuljahr 2004/2005 sichergestellt ist. Dazu gibt die Stadt jetzt die bislang eingesparten 410 Euro pro Kind an die Ogatas, das sind rund 266.000 Euro. Für 2005 und 2006 können wir natürlich nur eine programmatische Aussage machen, was wir machen wollen, wenn Schwarz-Grün die Kommunalwahl gewinnt. Aber was uns noch ganz stark am Herzen lag, war die Übermittagsbetreuung....

...die sollte ja eigentlich zum Jahresende auslaufen...

...und die Schulsozialarbeit. Also wollen wir 2005 jetzt doch 820.000 Euro für Übermittagsbetreuung und 450.000 Euro für Schulsozialarbeit ausgeben. Und wir möchten 2005 für die Horte zusätzlich 2 Millionen und für die Ogata 800.000 ausgeben. Das ist eine Summe von 6 Millionen Euro für 2004 und 2005.

Sehen Sie in dem Beschluss eine politische Kehrtwende?

Es ist schon eine Korrektur unseres vorherigen Ansatzes. Jetzt geben wir ein Bekenntnis ab, indem wir sagen: Bevor die Ogata nicht besser dasteht und mehr Schulen Ogata werden, finanzieren wir die Horte weiter. Solange bis klar ist, dass sich die Betreuungssituation tatsächlich verbessert hat.

Wo kommt denn jetzt auf einmal das Geld her?

Die 2 Millionen in 2004 werden wir zusätzlich aus Umschichtungen im Jugendetat finanzieren, wo es unerwartete Mehreinnahmen gab. Also ohne dass irgendeine Sache gestrichen wird, die bereits zugesagt worden ist. Für 2005 beauftragen wir die Verwaltung, im neuen Haushaltsentwurf, den sie für den neuen Rat vorbereitet, zusätzlich 4 Millionen einzuplanen. Das Neue daran ist, dass dieses Geld zugunsten des Jugendetats anderswoher kommen wird. Woher genau, muss die Verwaltung vorschlagen. Und wir sagen: Wenn wir nach der Kommunalwahl wieder in die politische Verantwortung kommen, wollen wir – als Grüne und als CDU – diesen zusätzlichen Etat so beschließen. Das ist eine programmatische Aussage: Kinder- und Jugendpolitik soll ein Schwerpunkt sein. Wir wollen unbedingt in die Ganztagsbetreuung rein: für die Kinder, aber auch für die Eltern, die eine solche Betreuung brauchen, um Familie und Beruf zu vereinbaren.

Zeigt diese „Kehrtwende“ nicht auch, dass die Kritiker Recht haben, die, wie etwa Attac oder das Sozialforum, sagen: Geld ist schon genug da, man muss nur die richtigen Prioritäten setzen?

Das ist eine Frage der Priorität, das stimmt in gewisser Weise. Aber ich glaube nicht, dass wir es zu Beginn der Koalition 2003, als wir monatelang die Haushaltsfrage diskutiert haben, geschafft hätten, eine völlig andere Priorisierung vorzunehmen, als sie bis dato da war. Aber jetzt ist das ein Versuch zu sagen: Ja, man muss andere Prioritäten setzen – und eine Priorität soll Kinder- und Jugendarbeit sein.

Wie wird das langfristig aussehen, wird die Parallelstruktur von Horten und Ogata bleiben?

Das Ziel ist schon, die Nachmittagsbetreuung an die Schule anzubinden. Und grünes Ziel ist eigentlich auch die Ganztagsschule – nicht nur in der Grundschule, sondern auch für die Sekundarstufe 1. Nur sind wir nicht unabhängig davon, was im Land nach den Landtagswahlen im Jahre 2005 passiert. Und dann: Man muss auch kleinräumig in die Stadtteile schauen, was es dort für Betreuungsangebote gibt. Wenn es dort eine Offene Ganztagsschule mit einem guten Angebot gibt, kann man den Hort direkt daneben natürlich schließen. Man kann das aber nicht schematisch machen.