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Archiv-Artikel

Würden Sie diesem Mann vertrauen?

Gestern scheiterte ein Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU). Nur 16 querulatorische Abgeordnete der Bremer Bürgerschaft votierten gegen den verdienten Major a. D. Die Gründe dafür müssen wohl im politischen Lebenswerk des Danzigers liegen

Vertrauen ist eine Frage der Person: Wenn jemand einen Fehler gemacht hat, eine Niederlage kassiert, ist das noch kein Grund ihn fallen zu lassen. Die Gerechtigkeit verlangt, dass man berücksichtigt, was er sonst noch so geleistet hat. Deshalb musste das Misstrauensvotum gegen Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) gestern scheitern: Der, Jahrgang 1942, gilt nicht nur als ausgesprochenes Kommunikationstalent. Die taz nennt die wichtigsten Stationen seines einzigartigen politischen Lebens.

1974 Nach einer glänzenden Militärkarriere wird Perschau, CDU-Mitglied seit 1970, Politiker: Der ehemalige Jugendoffizier nimmt ein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft wahr.

1981 bis 1991 Perschau ist Spitzenkandidat der Hamburger CDU: Dreimal wählen ihn etliche Hamburger; 1991 erreicht er das historische Ergebnis von 34 Prozent der Voten. „Eine glatte Niederlage“ räumt sein Fraktions-Chef Rolf Kruse ein. Perschaus Wahlkampf sei aber gut gewesen. Zur Belohnung kommt er nach Brüssel und ergattert einen Platz im Entwicklungshilfe-Ausschuss des Europa-Parlaments.

Juli ’91 Hurrah! Endlich hat der begnadete Däumchendreher Hartmut Perschau einen echten Amtssessel: Er wird Innenminister in Sachsen-Anhalt.

Oktober ’91 Innenminister Perschau macht erstmals richtig Schlagzeilen! Ein sachsenanhaltinischer Polizeihauptkommissar erweist sich als ein mit der Schulung von RAF-Mitgliedern betrauter Stasi-Major. Mindestens Perschaus Staatssekretär muss es gewusst haben. Erfolgreich übersteht der Innenminister die erste Krise seiner Amtszeit.

Anfang ’92 beginnt allerdings schon die nächste: Die so genannte Magdeburger Spitzel-Affäre. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet Perschaus Kabinettskollegen Wolfgang Rauls (FDP). Der Innenminister bestreitet etwas damit zu tun zu haben. Im August 1992 finden sich jedoch laut Spiegel zwei von Perschau abgezeichnete „amtliche Vermerke“, die das Gegenteil belegen .

Oktober ’93 Perschau gelingt ein persönlicher Fahndungserfolg: Mit seinem Fahrrad stoppt er einen Verkehrsrowdy

Ende ’93: Perschau gelingt ein 1a-Rücktritt: Laut Landesrechnungshof hatten er und drei Mitminister sich überhöhte Gehälter genehmigt. Gesamtschadenssumme fürs Land: 900.000 Mark. Erfolgreich kann das Quartett 1996 vor dem Landgericht nachweisen, dass das keine strafbare Handlung gewesen ist.

1994: Perschau hat noch mehr Talente! Er wechselt in die Medienbranche – zum damals florierenden Unternehmen Leo Kirch.

Im Juni ’95 ereilt ihn der Ruf Bremens: Perschau wird Senator für Wirtschaft und Häfen. Gleich macht er sich an die Vulkan-Rettung. Rückblickend zieht er 1999 eine „positive Bilanz“. Die Katastrophe sei ausgeblieben, so Perschau, das Krisenmanagement sei ein „struktur- und finanzpolitischer Erfolg“ Bremens.

1996: ein produktives Jahr. Perschau schiebt die Projekte Ocean- und Space Park an und verteidigt sie gegen kritische Mittelständler. Die 3,6 Millionen jährlicher Besucher würden „ihnen die Taschen voll machen“, verspricht er – und setzt sich durch.

1997: Perschau hat die tolle Idee für ein Musical am Richtweg!

Sept. ’97 erbt Perschau das Ressort Finanzen von Parteifreund Ulrich Nölle.

1999 Erzielt die CDU mit 37 Prozent ein Rekordergebnis bei der Bürgerschaftswahl. Perschau fügt dem noch einen schönen persönlichen Erfolg hinzu: Bei der Senatswahl erhält er deutlich mehr Nein-Voten als alle anderen.

2000 kritisiert der Landesrechnungshof die von Perschau verantwortete Investitionspolitik als eine Nummer zu groß für Bremen. Was dem Finanzsenator erlaubt, seinen Sprachwitz zu beweisen: „Quakdübel“ nennt er die Rechnungshöfler. Auch ein Jahr darauf wehrt er sich wieder dagegen, dass die Kontrollinstanz seine schöne Sanierungspolitik kaputt rede.

2001 Perschau ist nun seit vier Jahren Finanzsenator und sieht keinen anderen Ausweg mehr als den so genannten Kanzlerbrief. Mit der Verhandlungsführung in Berlin betraut er Staatsrat Reinhard Metz, der in der Behördenleitung praktisch nichts zu sagen hatte. Nicht so gut kam sein Naturell leider bei dem spröden Bundes-Finanzminister Hans Eichel (SPD) an.

2002 imitiert Perschau in der Zech-Bau-Affäre meisterlich sein großes Vorbild Helmut Kohl: Vorm Untersuchungsausschuss erinnert er sich nicht mehr daran, warum sein Finanzressort das Siemens-Hochhaus an den Unternehmer verkaufte, obwohl das Wirtschaftsressort zuständig gewesen wäre.

2003 Bei der Bürgerschaftswahl gewinnt die CDU 7,2 Prozent der Stimmen weniger als 1999. Dass habe nicht am Spitzenkandidaten Hartmut Perschau gelegen, beteuert CDU-Chef Bernd Neumann. Findet Perschau auch und wird wieder Wirtschafts und Häfen-Senator. Ach ja, und Kultur kommt auch dazu.

Dez. ’03 beweist Kultursenator Perschau Tatkraft; die Subventionen für Schnürschuh, Kito-Verein und Waldau-Theater sollen wegfallen. Es kommt zu Verhandlungen, in deren Verlauf Perschau auch noch Lernfähigkeit beweist. Stand der Dinge: Das Kito wird wohl mit demselben Trägerverein weiter wirtschaften, das Schnürschuh hat gute Chancen. Nur beim Waldau Theater ist man noch zögerlich.

Frühjahr ’04 Wirtschaftssenator Perschau bringt wieder ein tolles Großprojekt aufs Gleis! Das Auswandererhaus Bremerhaven gilt als beschlossene Sache und wird auch dem Mittelstand die Taschen voll machen.

Also nun mal ehrlich: Nur die missliche Space Park-Pleite überschattet die makellose Erfolgsbilanz und dämpft die Aufbruchstimmung, die Hartmut Perschau, wo er wirkt, verbreitet. Noch. Denn: Der packt das schon. Irgendwie wird in den kommenden sechs Wochen auch der Space Park noch ein Erfolg. Man muss bloß Perschau das nötige Vertrauen entgegen bringen. „Mein größter Vorteil“, hat der einmal über sich gesagt „ist, dass man mich immer unterschätzt.“Benno Schirrmeister