: Nutznießer der Globalisierung
betr.: „Sündenböcke verzweifelt gesucht“ (Europäisch-amerikanische Missverständnisse) von Karen Kramer, taz (Kultur) vom 7. 7. 03
Es ist eine gute Idee, die amerikakritischen Äußerungen in Deutschland im Kontext mit der Krise der Arbeitsgesellschaft zu betrachten, wie Karen Kramer das getan hat. Sie hat Recht, dass die Arbeitsfixierung der Deutschen viel zu wenig beachtet wird. Gleichzeitig stimmt es sicher auch, dass die amerikanische Bevölkerung zu einem großen Teil Opfer der Globalisierung ist. Das hat Naomi Klein in No Logo ja bereits überzeugend dargelegt.
Dennoch haben mich zwei Dinge an dem Artikel gestört. Das eine ist die Behauptung, während die Deutschen in Amerika einen Sündenbock suchen, wendeten sich die Amerikaner quasi unpolitisch der Religion zu. So als habe es den Irakkrieg nie gegeben und Bushs „Achse des Bösen“ habe mit Amerika nichts zu tun. Wenn das keine Sündenböcke sind, wer dann?
Das Zweite, was mich stört, ist Kramers Mystifizierung der Globalisierung, so als wäre sie ein Naturereignis, das halt in den USA unerklärlicherweise ein wenig früher zugeschlagen hat. Ich will nicht behaupten, die Globalisierung sei von den USA gemacht und Europa sei unschuldig. Man kann aber andererseits nicht behaupten, die neoliberale Politik der USA, die im Prinzip auch unter Clinton schon betrieben wurde, habe mit der Globalisierung gar nichts zu tun. Immerhin gibt es in Amerika nicht nur Opfer der Globalisierung, sondern auch Nutznießer – wie in Europa übrigens auch. Es ist also kein Zufall, dass die USA als Erstes von der Globalisierung heimgesucht wurden, sondern Resultat politischer und sozialer Entwicklungen, die von den jeweiligen amerikanischen Regierungen kräftig gefördert wurden.
JOACHIM KAMLAH