DIE OPPOSITION IN IRAN IST STARK, ABER NICHT GUT GENUG ORGANISIERT : Siegen durch Nachgeben
Die Machthaber im Gottesstaat haben mit einem Blutbad gedroht und damit die Studenten vor die Wahl gestellt, entweder einen Massenmord zu riskieren oder klein beizugeben. Die Studentenorganisation Tahkim Wahdat hat politisches Gespür bewiesen und nachgegeben. Doch selbst ohne landesweite Demonstrationen ist es jedem klar geworden, dass die turbantragenden Gottesmänner nur noch mit nackter Gewalt herrschen können. Sie haben ihre Legitimation längst verloren und gehen mit Maschinengewehren und Panzern gegen die eigene Glaubensgemeinschaft vor. Der Zerfallsprozess des Gottesstaates hat längst begonnen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann er sein Ende findet. Schon jetzt wird deutlich: Nicht die Studenten, die ein Massaker verhinderten, sondern die Mullahs haben kapituliert.
Die USA sollten nun endlich begreifen, dass ihre Versuche, das Volk zu einem Aufstand zu ermuntern, nur den konservativen Machthabern nutzen. Die Jubelrufe aus Washington wirkten wie ein Dolchstoß. Sie lieferten den Machthabern den Vorwand, die Proteste der letzten Wochen als ein Machwerk der USA zu denunzieren und das Volk zur Verteidigung des Vaterlands und des Glaubens aufzurufen. Nur: Das iranische Volk kann auf die „Hilfe“ aus Washington verzichten. Es ist reif genug, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Aber auch die Opposition sollte aus dem 9. Juli die richtigen Lehre ziehen. Zwar hat die überwiegende Mehrheit des Volkes längst die Hoffnung, die sie in Chatami und seine Reformen von oben gesetzt hatte, aufgegeben. Es hat die Einsicht gewonnen, dass sich ein Staat, der an der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit festhält und den Willen des Volkes missachtet, mit einer zivilen, demokratischen Gesellschaft nicht vereinbaren lässt. Aber diese Einsicht und die weit verbreitete Unzufriedenheit reichen nicht aus, um einen Regimewechsel herbeizuführen. Dazu bedarf es organisatorischer Mittel und politisch vorbereiteter Alternativen. Ohne diese Voraussetzungen, die bislang in Iran fehlen, kann die Opposition nicht zum Ziel kommen. BAHMAN NIRUMAND