: „Arschloch“: Entlassung, aber mit Rente
Krach in der Chefetage der Kassenärztlichen Vereinigung ist entschieden: Der Geschäftsführer darf seine Vorsitzenden nicht „Arschloch“ nennen, meint das Oberlandesgericht. Eine fette Rente kriegt der gefeuerte Geschäftsführer trotzdem – aber später
Bremen taz ■ Darf ein hauptamtlicher Geschäftsführer seinen ehrenamtlichen Vorstand „Arschloch“ und „Blödmann“ nennen und mit Bemerkungen traktieren wie „Die sind doch so bescheuert. Wie kann man nur so dämlich sein!“? Es ging in dem konkreten Fall vor Gericht am vergangenen Freitag um den ehemaligen Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Klaus Stratmann. Er bestreitet vehement die Äußerungen und sagt, die würden so gar nicht in seinen Wortschatz passen. Aber die Vernehmung der drei Ohrenzeugen seiner Äußerungen wollte er dann doch lieber vermeiden: Immerhin saßen seine eigene frühere Sekretärin und ein Abteilungsleiter auf der Zeugenbank des Hanseatischen Oberlandesgerichtes. Dass Stratmann sich nach Telefongesprächen mit seinen neuen Chefs, die gegen seinen Willen eingesetzt worden waren, derart Luft verschafft haben könnte, schien dabei auch dem Gericht nicht ganz unplausibel, so dass es Stratmann riet, sich durch einen Vergleich die Zeugenvernehmung zu ersparen. Denn die Äußerungen, wenn sie denn gefallen seien, begründeten eine fristlose Kündigung.
Das Bremer Landgericht hatte den Fall anders gesehen: Auch Geschäftführer seien Arbeitnehmer und Stratmann habe nicht davon ausgehen müssen, dass seine mitgehörten „Selbstgespräche“ weiterverbreitet würden. Insofern könne man von einer „spontanen Unmutsäußerung“ ausgehen, für die das Recht der privaten Meinungsfreiheit gelte, urteilte das Gericht im November 2003.
Der neue KV-Vorstand unter Till Spiro und Arnoud Demedts wollte das nicht akzeptieren und war in die Berufung gegangen – mit klarem Erfolg. Die Lage in der KV sei damals besonders kritisch gewesen, meinte Richter Reinhardt Wever. Aufgrund des Konfliktes um die Begünstigung des alten KV-Vorstands Andreas Rüggeberg – der hatte am Ende zurücktreten müssen – seien die neuen Vorstände in besonderer Weise auf die Loyalität des übernommenen Geschäftführers angewiesen gewesen. Seine ehrverletzenden Bemerkungen vor den Ohren eines Abteilungsleiters und der Sekretärin, die zugleich die Sekretärin der Vorstandsmitglieder war, könnten nicht als private Meinungsäußerung gewertet werden.
Stratmann hatte bald nach seiner fristlosen Kündigung den Posten des Leiters beim Rotes-Kreuz-Krankenhaus bekommen. Es habe also nicht die Gefahr bestanden, dass er ins Bodenlose falle, formulierte der Richter. Aber dennoch ging es für Stratmann um viel Geld. Dem KV-Geschäftsführer, dem eine federführende Rolle bei der Begünstigung des Ärzte-Funktionärs Rüggeberg im Jahren 2000 zugeschrieben wurde, war seinerseits 1998 mit einem ganz ungewöhnlichen Vertrag zum Geschäftsführer „auf Lebenszeit“ bestellt worden. Bei einer normalen Kündigung „aus wichtigem Grund“ hätte dem jetzt 53-Jährigen vom Tag der Kündigung an eine Rente von rund 100.000 Euro im Jahr zugestanden. Bei der im August 2002 ausgesprochenen fristlosen Kündigung fielen diese Ansprüche weg.
Das Risiko, dass die Zeugenaussagen die Gründe für eine fristlose Kündigung bestätigen würden, wollte Stratmann vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht offenbar nicht eingehen und stimmte schließlich einem Vergleich zu. Punkt 1: Das Datum der fristlosen Kündigung im August 2002 soll als einvernehmliche Vertragsauflösung gelten. Punkt 2: Die KV zahlt ihm die Rente in vollem Umfang, aber erst ab dem 62. Lebensjahr. kawe