MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUF : Bastelstunde mit dem Drachentöter
Der Baumarkt ist ein Paradies für den preisbewussten Heimwerker. Aber die Hölle wartet schon zu Hause
„Sollten wir nicht lieber ein fertiges Kinderbett kaufen, Liebling?“ Meine Frau ist skeptisch. „Ach, was! Ich habe noch jede Menge Holz vom alten Futon“, entgegne ich, „das kommt viel billiger!“ Meine Liebste wendet sich ab.
Typisch: Wenn mal was kaputtgeht, muss unsereins gleich den Handwerker mimen. Aber wehe, wir wollen aus freien Stücken etwas basteln! Zum Glück hält mein Dreijähriger zu mir. „Baust du mir ein Feuerwehrbett, Papa?“ Na klar.
Doch vor das Heimwerken hat die Evolution den Baumarkt gesetzt. Ich brauche bloß ein paar Schrauben und Holzdübel und finde mich in einer Halle wieder, in der sich bei Regenwetter bequem die Olympischen Spiele ausrichten ließen. Rechts und links gewaltige Regalreihen, vor mir ein endloser Gang. Von der Decke hängen rote Planen mit meterhohen Buchstaben: „Sanitär“, „Bauholz“, „Eisenwaren“.
Mein Sohn lässt sich im Einkaufswagen schieben. Nach einem halben Tagesmarsch stehen wir vor hundert Regalmetern Schrauben: eine Wand voller Stahl. Nehme ich Flach- oder Linsenkopf? Reicht eine kleine Packung? Oder kaufe ich lieber eine Große? Kommt viel billiger.
Als Nächstes Holzdübel. Sechser, Achter oder Zehner? Am Stab oder geschnitten? Nehme ich 20 Stück für 2,99 Euro oder 64 für 4,99? Ich lege die große Tüte in den Wagen. Holzbohrer mit Dorn! Praktisch. Zur Sicherheit noch Beschläge, das macht das Bett stabiler. Aber nehme ich besser Flachverbinder, Winkelverbinder oder Flachwinkelverbinder? Vielleicht sollte ich jemanden fragen. Ich schaue mich um: kein Mitarbeiter in Sicht. Mein Kleiner auch nicht. Ich stöbere ihn vor einem dieser Mini-Fernseher auf – der präsentiert Pattex neue Powerknete.
Ich lege meinen zeternden Sohn und eine Packung Klebekitt in den Wagen. Plötzlich strahlt er wieder: „Akkuschrauber!“ Mein Blick fällt aufs Sonderangebot daneben: eine Bosch-Stichsäge für nur 50 Euro! So billig kriegt man die? Sofort ist ein Verkäufer da. „Ein schönes Gerät – aber leider ohne Pendelhub!“
„Oh“, sage ich und wähle das Pendelhubmodell für 90 Euro. Dazu empfiehlt er mir das günstige Sägeblatt-Sortiment für 10 Euro: „Die reichen völlig.“
Schock an der Kasse: 152 Euro. Vielleicht sollte ich doch die kleinen Schraubenschachteln nehmen? „Papa, ich habe Hunger“, drängelt mein Junior. Schon so spät? Zu Hause quengelt meine Liebste. Was willst du mit dem vielen Werkzeug? „Das brauch ich alles!“ Sie murmelt etwas von „Elektrospielzeug“. Wir Jungs verziehen uns in den Keller.
Ein wenig scribbeln, rechnen und dann anzeichnen. Na, ich komme wohl doch mit weniger Holzdübeln aus. Erste Schnitte mit meiner neuen Bosch: Geht durchs Holz wie Butter. Nur sehen die Schnittkanten aus wie ein Butterstückes nach dem Frühstück: völlig wellig. Blick zur Uhr. Der Baumarkt hat seit zehn Minuten zu.
Ein Wochenende verloren. Samstag drauf stehe ich frühmorgens mit defekter Säge wieder im Baumarkt. Der heutige Verkäufer sieht mich an, als müsste er seiner Frau die Funktion eines Hammers erklären. Dann lässt er sich herab, das Teil zu testen. Er fischt das teuerste Sägeblatt aus dem Regal und sägt mit meiner Bosch glatt wie Fensterglas. „Die Säge ist in Ordnung“, urteilt der Verkäufer. „Kaufen Sie halt nicht so billige Blätter!“
Mürrisch tausche ich meine Schraubenkästen und die große Dübeltüte gegen kleinere Einheiten. So hab ich das Geld für die teuren Sägeblätter wieder raus.
Neuer Anlauf nach dem Mittagessen. „Darf ich hämmern?“ fragt mein Sohn. Natürlich, Kamerad. Ich betrachte ihn stolz und zärtlich. Nun geht es voran. Das Holz ist schon auf Länge und dank Multischleifer glatt wie ein Babypopo. Nun geht es ans Dübeln: Der neue Bohrer macht präzise Löcher für 16 Holzdübel. Sieht prima aus. „Papa, schau mal“, ruft mein Handwerksgeselle: „Ich hab die Drachen zerstört.“ Ich schaue rüber: Dort liegen, mühsam mit dem Hammer zerdroschen, die Hälfte meiner kostbaren zwanzig Holzdübel.
Fazit: Im Baumarkt und auf hoher See ist man in Gottes Hand, ob man nun an ihn glaubt oder nicht.
Fragen zu Drachen? kolumne@taz.de Dienstag: Bernhard Pötter über KINDER