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Archiv-Artikel

Baden-Württemberg kungelt mit der Bahn

Wettbewerb, ade: Statt Strecken auszuschreiben, vergibt die Landesregierung sie gleich an die DB – und zahlt drauf

ERLENBACH taz ■ Freudenfest bei der Deutschen Bahn AG (DB) in Stuttgart: Auf Vorschlag von Umwelt- und Verkehrsminister Ulrich Müller (CDU) hat die Landesregierung einem 13-jährigen Verkehrsvertrag mit der DB zugestimmt. Baden-Württemberg (BaWü) folgt damit anderen Bundesländern bei der pauschalen Verteilung von Steuermilliarden.

Bis zum Jahr 2016 werden im Südwesten weiterhin rund 78 Prozent des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) mit DB Regio gefahren. Insgesamt 4,6 Milliarden Euro wird dies das Land kosten. Im Gegenzug will die DB neue Fahrzeuge im Wert von 530 Millionen Euro beschaffen – die freilich mit 80 Millionen Euro vom Land bezuschusst werden.

Was Minister Müller für einen „Meilenstein der Entwicklung des SPNV“ ansieht, hält man bei der Privatbahn-Vereinigung Mehr Bahnen für einen „ultimativen Tiefschlag für den Wettbewerb“. „Ausbaden müssen das sowohl die Fahrgäste als auch die Steuerzahler“, sagt Sprecher Karl-Heinz Rochlitz. Zwar sei ein vertraglich vereinbarter Kilometerpreis von durchschnittlich 7,77 Euro in einem gebirgigen Land kein schlechtes Ergebnis – im flachen Brandenburg werden ohne große Brücken und Tunnel 8,69 Euro gezahlt. „Der Wettbewerbspreis dürfte aber zwischen 5 und 6 Euro liegen“, sagt Rochlitz. Hochgerechnet könnte Wettbewerb in BaWü so pro Jahr 70 bis 80 Millionen Euro sparen. Kritiker vermuten einen Zusammenhang mit dem Prestigeprojekt Stuttgart 21. Danach will die DB den milliardenschweren Tunnelbahnhof nur bauen, wenn das Land auch Nahverkehrszüge bestellt.

Gedeckt werden die Pauschalverträge durch das Vergaberecht. Nur ein „wesentlicher Teil“ der Verkehrsleistungen muss ausgeschrieben werden. So können die Bundesländer das DB-Monopol noch auf Jahrzehnte sichern.

Für die kleinen Bahnunternehmen bleibt nur Schleswig-Holstein als Hoffnung. Die dortige rot-grüne Koalition hat einen Ausschreibungsfahrplan beschlossen, bei dem schrittweise sämtliche Verkehrsnetze auf den Markt kommen. Den Zuschlag für das Westküstennetz mit der lukrativen Strecke Hamburg–Sylt hat kürzlich die private Nord-Ostsee-Bahn bekommen. „Wir sparen 43 Prozent gegenüber dem jetzigen DB-Angebot“, erklärt Karl-Martin Hentschel, Vorsitzender der Landtags-Grünen. „In zehn Jahren sind das grandiose 143 Millionen Euro.“ Statt heute 24 würden künftig 56 Zugbegleiter in den Zügen eingesetzt. Die freien Mittel will das Land für zusätzliche SPNV-Angebote nutzen. MICHAEL SCHWAGER