Neonazis drohen mit „weiteren Angriffen“

Gruppe „Combat18“ bekennt sich im Internet zu Friedhofsschändung. Kampfansage an Staatsanwalt und Politiker

BERLIN taz ■ Die Holocaust-Überlebenden, die Anfang Mai an einer Gedenkfahrt zum jüdischen Friedhof in Neustadt/Holstein teilnahmen, waren geschockt. Sie wollten hier am 4. Mai der rund 7.500 KZ-Häftlinge gedenken, die vor 58 Jahren auf dem Schiff „Cap Arcona“ beim Bombardement durch britische Kampfflugzeuge getötet wurden. Doch unmittelbar vor Beginn der Gedenkstunde hatten Rechtsextremisten den Friedhof geschändet. Bislang unbekannte Täter hatten ein aufgeschlitztes Ferkel vor den Gedenkstein gelegt und mit roter Farbe die Abkürzung „C18“ gesprüht.

Wer sich hinter den Tätern und deren Code verbirgt, kann nun im Internet nachgelesen werden. Dort brüstet sich auf einer gleichnamigen Website eine neonazistische Gruppierung namens „Combat18 Deutschland“ mit der Schändung. In einem Bekennerschreiben wird offensiv der Holocaust geleugnet und mit „weiteren Angriffen“ gedroht. Wen die Neonazis ins Visier nehmen wollen, macht eine Fotoleiste auf der Website deutlich. Unter Porträtfotos von Neustadts Bürgermeister Henning Reimann, dem Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus Dieter Schultz und Landrat Reinhard Sager (CDU) findet sich die eindeutige Botschaft: „Ihr seid die Nächsten.“

Ostholsteins Landrat Sager hatte unmittelbar nach dem Anschlag von einem „Angriff auf die Menschenwürde“ gesprochen. Die Gemeinde Neustadt setzte 1.000 Euro Belohnung für Hinweise auf die Täter aus. Neustadts Bürgermeister Henning Reimann hatte gemeinsam mit Holocaust-Überlebenden und Vertretern der jüdischen Gemeinden an der Gedenkfeier auf dem Friedhof teilgenommen.

„Es ist neu, dass rechtsextreme Bekennerschreiben im Internet veröffentlicht werden“, sagt Julius Schoeps vom Moses-Mendelssohn-Institut in Potsdam. Bei den im Mai und April bekannt gewordenen rechtsextrem motivierten Schändungen von jüdischen Friedhöfen in Bad Kreuznach und Zwickau gab es derartige Schreiben nicht.

Oberstaatsanwalt Schultz aus Lübeck sagt, nach den Tätern werde intensiv gefahndet. Doch Hausdurchsuchungen bei drei örtlichen Rechtsextremisten seien ergebnislos verlaufen. Da die Website, auf der das Bekennerschreiben veröffentlicht wurde, über einen Provider in den USA laufe, seien die Ermittlungen kaum erfolgversprechend.

Beim Landeskriminalamt (LKA) in Kiel wird darauf verwiesen, dass es sich bei „Combat18“ um eine britische Neonazigruppierung handele, die in den 90er-Jahren durch Bombenanschläge auffiel und als bewaffneter Arm der in Deutschland verbotenen Neonazigruppe „Blood&Honour“ agiert. Einen deutschen Ableger von Combat18, zumal in Schleswig-Holstein, gebe es nicht. „Wenn es gefestigte Strukturen gäbe, würden die sofort nach dem Vereinsgesetz verboten“, so ein LKA-Sprecher. Bekannt ist, dass deutsche Neonazis über regelmäßige Kontakte zu britischen und skandinavischen Aktivisten von Combat18 verfügen.

Unabhängige Rechtsextremismusexperten verweisen darauf, dass Neonazis insbesondere in Norddeutschland und im sachsen-anhaltischen Halle „Combat18“ mehrfach als Label für Aktivitäten gegen politische Gegner aus dem Gewerkschaftsspektrum und der Linken verwandten. Das Verbot von „Blood&Honour“ habe deren Aktivitäten kaum eingeschränkt. So zirkuliert derzeit in Deutschland ein rechtsextremes Propagandaheft unter dem Label „Combat18/Blood&Honour“, in dem unter dem Motto „Taten statt Worte“ zu Aktionen gegen jüdische Einrichtungen und Linke aufgerufen wird. Die „Kameraden“ werden aufgefordert, Fotos ihrer Aktionen an das „konspirative Redaktionskollektiv“ zu schicken. Diese würden dann – wie im Fall Neustadt – veröffentlicht. Auch gegen die Hersteller des Heftes wird bislang ergebnislos ermittelt. HEIKE KLEFFNER