Zahnersatz wird noch teurer als gedacht

Die Umstellung der Zahnarztvergütung birgt für die Versicherten böse Überraschungen. Kronen, Brücken und Gebisse könnten sehr viel teurer werden. Und die Kassen kämpfen nicht mehr um die Preise. Erster Show-down am 23. Juni

BERLIN taz ■ Vermutlich sollte man sich doch noch in diesem Jahr um seinen Zahnersatz kümmern. Denn ein bislang unbeachtetes Detail der Gesundheitsreform könnte dafür sorgen, dass Kronen, Brücken und Gebisse für den Kassenpatienten ab 2005 sehr viel teurer werden.

Den Zahnärzten wurde mit der Reform ein lang gehegter Wunsch erfüllt: Sie bekommen von den Krankenkassen ab dem kommenden Jahr „befundorientierte Festzuschüsse“. Das heißt, dass die Kassen sich nicht mehr prozentual mit der Hälfte der Kosten, sondern mit einer Pauschale am Zahnersatz beteiligen. Die Vergütung bisher, erklärt der Vizechef der Bundeszahnärztekammer Dietmar Österreich, sei für die Patienten „ungerecht und unlogisch“. Für eine Brücke gebe es einen Zuschuss, für ein Implantat nur im Ausnahmefall. Wer sich eine teure Keramikkrone leisten kann, bekommt seine fünfzig Prozent ebenso wie der, bei dem es bloß für Gold reicht.

Gut möglich, dass das jetzige System ungerecht ist – aber die Festzuschüsse könnten zu weit größeren Härten führen, erklärt dagegen Dietmar Knappe, Zahnmedizin-Fachmann beim Ersatzkassenverband VdAK. „Ich sehe für die Patienten schwarz“, sagt Knappe. Ab dem 1. 1. 2005 dürfte „ein viel höherer Eigenanteil fällig werden als heute“. Denn durch die Gesundheitsreform sei die Gesetzeslage derart „undeutlich“ geworden, dass „alle Vorteile bei aggressiv abrechnenden Zahnärzten liegen“.

Hinter Knappes düsterer Prognose verbirgt sich ein Kampf zwischen Kassen und Zahnärzten, der am 23. Juni im „Gemeinsamen Bundesausschuss“ dieser beiden Kontrahenten entschieden werden soll. Denn die Reform erweitert die Möglichkeiten der Zahnärzte, alles, was nicht zur „Regelversorgung“ gehört, privat abzurechnen. „Privat“ abgerechnet wird in der Regel zum 2,3fachen Satz – das ist übrigens der Grund, warum Ärzte Privatpatienten so mögen.

Verhandelt wird nun darum, was in Zukunft „Regelversorgung“ ist und was in den Bereich des lukrativen Luxus fallen wird. Ziel der Zahnärzte ist naheliegenderweise, die Regelversorgung einzudampfen. Ein Beispiel: Bislang wird der fehlende Schneidezahn als „Regelversorgung“ mit einer Brücke ersetzt, die 1.300 Euro kostet. Hiervon trägt der Patient 800 Euro. Die Zahnärzte wollen nun, dass zur „Regelversorgung“ eine Prothese mit unschönen Metallklammern wird. Eine Brücke dagegen möchten sie mit 1.725 Euro veranschlagen, von denen der Patient 1.460 Euro zahlen soll.

Gegen solche Forderungen sollen sich die Kassen am 23. Juni gefälligst durchsetzen, verlangt der SPD-Gesundheitspolitiker Klaus Kirschner. „Es ist eindeutiger Wille des Gesetzgebers, dass die Regelversorgung bleibt, wie sie ist“, sagt Kirschner. Er hat den Verdacht, dass nicht nur die Ärzte, sondern auch die Kassen es zulassen werden, dass die Zahnersatzversorgung leidet.

Denn ab 2005 soll der Zahnersatz von den Versicherten ohne Arbeitgeberanteil extra versichert werden. Da viele Kassen jetzt schon Zusatztarife für Zähne anbieten, ist für sie ökonomisch sinnvoll, die Regelversorgung unter Niveau zu drücken.

Ohnehin wird die 2005 anstehende Zahnersatzversicherung allen Beteiligten großen Ärger bringen. Mittlerweile kalkulieren die Kassen mit einem Einheitstarif von rund 9 Euro pro Nase; vergangenen Sommer hieß es 5 Euro. Und noch ist unklar, wie der gigantische Verwaltungsaufwand für die Millionen neuen Versicherungskonten bezahlt wird. Aber „wenn wir den Menschen schon diese kleine Kopfpauschale zumuten, muss mindestens die Leistung gleich bleiben“, sagt Kirschner.

ULRIKE WINKELMANN