Urteil: 165 Jahre Haft für Barguti

Ein israelisches Gericht verurteilt den Palästinenser zu fünfmal „lebenslänglich“ und 40 Jahren Haft. Israelisches Kabinett debattiert Rückzug aus dem Gaza-Streifen

JERUSALEM taz ■ Der Chef der palästinensischen Organisation Fatah im Westjordanland, Marwan Barguti, ist zu fünfmal „lebenslänglich“ – je 25 Jahren – plus 40 Jahren Haft verurteilt worden. Die drei Richter des Tel-Aviver Bezirksgerichts kamen mit dem hohen Strafmaß allen Forderungen der Staatsanwaltschaft nach. Barguti war zwei Wochen zuvor der Planung dreier Attentate für schuldig befunden worden, bei denen insgesamt fünf Zivilisten getötet wurden. Außerdem warf ihm das Gericht Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und versuchten Mord vor. In 33 weiteren Mordfällen reichten die Beweise nicht aus.

„Egal wie viele sie verhaften oder töten“, meinte Barguti in einer Ansprache unmittelbar vor Verkündung des Strafmaßes, „sie werden die Entschlossenheit des palästinensischen Volkes nicht brechen.“ Wer ihn unterstütze, der „kämpft für Würde und Gerechtigkeit“. Die Intifada werde triumphieren und die Besatzung besiegen. Sie sei der einzige Weg zur Unabhängigkeit. Die „hässliche, kolonialistische Besatzung ist dabei, zu sterben“.

Die Richter lehnten Bargutis Standpunkt, er sei ein Politiker, der für die Freiheit seines Volkes kämpfe, ab: „Es scheint, als sei aus Sicht des Angeklagten der Weg zur Freiheit ein Weg des Blutes und Terrors.“ Der Angeklagte sei „bis zum Hals in Terroraktivitäten verwickelt“ gewesen. Er trage „schwere moralische Verantwortung für den Tod vieler Menschen“. Der Verurteilte zeigte sich wenig beeindruckt von dem Gericht, dessen Kompetenz er nie anerkannt hat. „Die Richter sind wie die Piloten, die Bomben auf Kinder abwerfen“, sagte er.

Unterdessen zeichnete sich gestern im israelischen Kabinett eine Zweidrittelmehrheit für den von Premierminister Scharon gewünschten Rückzug aus dem Gaza-Streifen ab. Allerdings sieht der Plan keinen zeitlichen Rahmen mehr für die Räumung der jüdischen Siedlungen vor. Scharon lehnte den Rat eines Richters vom Obersten Gerichtshof ab, die Abstimmung um zwei Tage zu verschieben. Der Richter wollte sicherstellen, dass die Kündigung zweier Minister in Kraft tritt, über die Scharon erst am vergangenen Freitag entschieden hatte, um sich so eine Mehrheit für seinen Abzugsplan zu sichern. SUSANNE KNAUL

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