: Schifffahren ist Typsache
Auf nach Helgoland: Ob Katamaran oder Seebäderschiff ist Geschmacksache. Rasante dreieinhalb Stunden mit Brechtüte verheißen viel Zeit auf der Insel. Oder man schippert nostalgisch mit Wind im Haar nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“
Irgendwas muss dran sein an Helgoland. Nicht umsonst liegen dort an Sommerwochenenden bis zu sieben große weiße Seebäderschiffe und mehrere High-Tech-Schnellboote und Katamarane vor Anker. Von Bremen, Bremerhaven, Cuxhaven oder Hamburg aus fallen die Touristen auf der Insel ein. Jedoch: An der Frage, wie man hinkommt, scheiden sich die Geister. Luftdicht verpackt mit rasanter High-Tech oder gemächlicher mit 60er Jahre-Charme und frischer Brise?
Die „MS Speedy“ gleitet wie ein Blitz über die Wellen. „Das hat schon was, wenn man vom Bremer Martinianleger in diese Röhre einsteigt. Ist fast wie Fliegen“, sagt Ralf Rückert kurz vorm An-Bord-gehen. Er will am Fenster sitzen, „damit man wenigstens etwas sehen kann“. Für ihn zählt vor allem die Schnelligkeit des Bootes, damit er bei seinem Tagesausflug genügend Zeit auf der Insel hat. Bei fast 60 Stundenkilometern dauert der Ritt über die Wellen dreieinhalb Stunden. Der Preis für die moderne Technologie: Bei starkem Seegang kann es ganz schön schaukeln. „In den letzten Tagen war unser Brechtütenverbrauch enorm“, schmunzelt Oberstuart Nils Winter. Wer den ultimativen Geschwindigkeitskick haben will, legt noch 10 Stundenkilometer drauf: Seit Mitte Mai gleitet der eher an ein rotes Raumschiff erinnernde, spacige Katamaran „Halunder Jet“ ab Hamburg übers Meer. Damit folgt die Förde-Reederei-Seetouristik dem Trend, eiligen Passagieren eine „schnelle und hochmoderne Überfahrt“ zu ermöglichen, sagt Reedereisprecherin Birte Waskowiak. Außerdem entspräche der Future-Style dem Schicki-Micki-Outfit Hamburgs und dem technisierten Zeitalter. Laut Waskowiak lässt sich jeder dritte Urlauber per Katamaran auf die Insel beamen – 9 Uhr los, 12.40 da, vier Stunden Helgoland, 16.30 Uhr wieder zurück: Blankenese, Leuchttürme, gestrandete Wracks und Seehundbänke rauschen nur so vorbei.
Bei alten Seebären kommt dabei kein Meeresfeeling auf. Die stehen lieber gemütlich an Deck eines alten Seebäderschiffes und strecken die Nase der Gischt entgegen. Stolz und mondän trotzt die 1962 gebaute „MS Helgoland“ schwerer See und allen Wettern. Ist es ruhig, erwacht Kreuzfahrt-Atmosphäre auf dem Sonnendeck im Liegestuhl. Täglich ab Bremerhaven, mit der „Wappen von Hamburg“ ab Cuxhaven und im Juli und August von Hamburg aus kann man bis zu fünf Stunden gemächlich vor sich hin schippern: Der Weg ist das Ziel.
Erreicht man Helgoland, haben die Schnellfähren einen Bequemlichkeitsvorsprung: Sie können direkt im Südhafen Helgolands anlegen. Die Passagiere der alten Seebäderschiffe brauchen einen Tüpfel mehr Abenteurlust: Sie werden zwischen Hauptinsel und Badedüne ausgebootet, weil die großen Schiffe vor dem Hafen ankern müssen. Durch vier Klappen auf Wasserhöhe klettern die UrlauberInnen hinüber in kleine 50-Mann-Motorboote, um die letzten 300 Meter bis zum sicheren Ufer zurückzulegen. Dann dümpeln bis zu 14 solcher Börteboote auf dem Wasser. „Wenn den Passagieren die Gischt ins Gesicht spritzt, ist das für sie meist der erste Kontakt mit dem Meer“, beschreibt Kurdirektor Christian Lackner den seltsamen Bootszug. Dass durch die Hochgeschwindigkeitsverbindungen die alten weißen Bäderschiffe verdrängt werden, glaubt er nicht. Die Menschen seien einfach zu unterschiedlich in ihren bevorzugten Reisegewohnheiten. Ingrid Seitz