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Archiv-Artikel

US-Pläne für den Mittleren Osten

Auf dem heute beginnenden G-8-Gipfel in Georgia will die Bush-Administration ihr Projekt einer Demokratisierung der arabischen und islamischen Welt vorstellen

GENF taz ■ Von der Luxusinsel Sea Island vor des Küste des US-Bundesstaates Georgia hat man einen herrlichen, unverstellten Blick auf den Atlantik, der hier auf einer Breite von über 5.000 Meilen Nordamerika von Europa trennt. Doch nicht das Trennende – zum Beispiel in Handels- und Währungsfragen (siehe auch Wirtschaft Seite 8) –, sondern Gemeinsamkeiten sollen den dreitägigen G-8-Gipfel der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten und Russlands beherrschen. Für den Präsidentschaftswahlkampf von Gastgeber George Bush sind die Bilder und Schlagzeilen von einem harmonischen Gipfel mindestens so wichtig wie die Fotos von den D-Day-Feiern in der Normandie am letzten Sonntag.

Als wichtigstes Gipfelthema auf Sea Island kündigt die Bush-Administration bereits seit Monaten die Verabschiedung ihrer „Greater Middle East Initiative“ (GMEI) an – einer „umfassenden Initiative zur Stabilisierung und Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens“. Doch vor dem Hintergrund des Irakkrieges stieß die Initiative bei den arabischen Staaten von Anfang auf erhebliche Skepsis. Dies umso mehr, als die Bush-Administration diesen Krieg bis zum heutigen Tag als richtigen und notwendigen ersten Schritt zur Demokratisierung der arabischen Staaten bezeichnet. Hinzu kommt, dass Washingtons erste Textentwürfe für die GMEI nicht nur bei Diplomaten diktatorisch oder autokratisch regierter Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten, sondern auch Frankreichs und anderer EU-Länder den Eindruck erweckten, die USA beziehungsweise der Westen wollten der islamischen Welt von außen und von oben herab ihr Demokratiemodell aufzwingen.

Die Bilder folternder US-Soldaten aus dem Gefängnis Abu Ghraib in der irakischen Hauptstadt Bagdad führten endgültig dazu, dass die von der Bush-Administration nach Sea Island eingeladenen Staats- und Regierungschefs aus Saudi-Arabien, Ägypten, Kuwait, Marokko, Tunesien und Pakistan ihre Teilnahme absagten. Der Emir von Katar erhielt keine Einladung, weil er den Fernsehsender al-Dschasira, der Washington ein Dorn im Auge ist, in seinem Emirat Gast- und Senderechte gewährt. Ein EU-Diplomat kommentierte die Ausgrenzung Katars mit den Worten, es sei „ sehr merkwürdig, ein Land wegen seiner freien Presse nicht zu einem Gipfel einzuladen, auf dem die Forderung nach demokratischen Reformen verabschiedet werden soll“.

Nun werden am Mittwoch lediglich die Staats- und Regierungschefs von Jordanien, der Türkei, Jemen und Afghanistan sowie der letzte Woche neu bestimmte Präsident Iraks mit ihren Amtskollegen aus der G 8 zu Mittag essen. Danach soll die Initiative verkündet werden, deren endgültige Fassung, die der taz vorliegt, nun deutlich vorsichtiger formuliert ist als frühere Entwürfe. Es wird Bezug genommen auf eigenständige Reform- und Demokratisierungsansätze in den Ländern der Region – unter anderem auf das Abschlusskommuniqué des letzten Gipfeltreffens der Arabischen Liga im Mai in Tunis. Darin sind 16 äußerst moderate Absichtserklärungen für politische und gesellschaftliche Reformen enthalten, deren Umsetzung allerdings in das Belieben der jeweiligen Regierungen gestellt bleibt.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, beschrieb am Sonntag auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Hannover die politischen Ziele der gemeinsamen transatlantischen Initiative angesichts des für ihn „absehbaren Sturzes zahlreicher Regime in der arabischen und islamischen Welt in den nächsten zehn Jahren“. Die westlichen Staaten, so Pflüger, dürften „nicht die diejenigen sein, die bis zuletzt aus Stabilitätsgründen an diesen Regimen festhalten“. Das gelte „auch für Zentralasien“. Der CDU-Politiker warnte, die Initiative werde scheitern, wenn sie von den Menschen in der arabischen und islamischen Welt „lediglich wahrgenommen wird als Konzept gegen den Terrorismus“. Sie müssten „sehen, dass wir verstanden haben, dass der Nahe Osten mehr ist als nur eine große Tankstelle“. ANDREAS ZUMACH