: „Genug belastet“
Zum Schutz der Mädchen, die als Zeuginnen aussagen, schloss das Landgericht im Missbrauchs-Prozess gegen einen Sporttrainer gestern die Öffentlichkeit aus
bremen taz ■ Nicht einmal die Anklageschrift wurde öffentlich vorgetragen. So weit ging die Jugendkammer II im Bremer Landgericht gestern zum Schutz jugendlicher Zeuginnen, die Opfer von sexuellen Übergriffen eines Sporttrainers bei TSV Grolland geworden sein sollen. Die Anklage lautet auf schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in rund 20 Fällen.
Das Schutzinteresse der Mädchen – alles Kinder zwischen 10 und 14 Jahren – sei höher zu bewerten als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, entschied das Gericht gestern Vormittag nach kurzer Beratung. Dafür hatte sich zuvor auch die Staatsanwältin ausgesprochen. Die Nebenklagevertreterin ergänzte, dass die Mädchen ohnehin genug belastende Erlebnisse zu verarbeiten und Stigmatisierung zu erleiden hätten, als dass nun auch noch intime Details aus ihrem persönlichen Leben öffentlich ausgebreitet werden dürften. Auch der Verteidiger des 33-jährigen Angeklagten war für ein nicht-öffentliches Verfahren.
Der beschuldigte Trainer einer Mädchenkunstturngruppe sitzt seit Bekanntwerden der Vorwürfe im Januar wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Als er gestern mit Handfesseln den Gerichtssaal betrat, waren gleich vier Kameras im Raum. Mindestens sieben ReporterInnen hatten die Stifte gezückt und auch die Besucherränge waren ungewöhnlich voll – darunter zahlreiche junge Frauen aus dem betroffenen Sportverein. Doch vor der Presse wollte sich keine zu dem Fall äußern.
Der auf insgesamt sechs Tage anberaumte Prozess wird nun hinter verschlossenen Türen geführt. Zahlreiche Zeuginnen werden dabei zu den Vorfällen gehört, die sich im Verein, aber auch in der privaten Wohnung des Mannes abgespielt haben sollen. Unter dem Vorwand des „Einzelfördertrainings“ habe der Sportler die Mädchen zu sich bestellt, sie sexuell missbraucht und dies mit einer Videokamera gefilmt. Auch in der Sporthalle habe er sich den Mädchen unter verschiedenen Vorwänden genähert und sie missbraucht, heißt es.
Die Vorfälle datieren aus der Zeit von Anfang 2001 bis Januar dieses Jahres. Dabei war der Mann Presseberichten zufolge bereits vor zwei Jahren wegen sexuellen Missbrauchs an einer widerstandsunfähigen Person aufgefallen. Er soll sich an einer schlafenden Frau vergangen haben. Im Februar war der jetzt erneut Angeklagte deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilte hat laut Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. ede