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Archiv-Artikel

Bush, das Unschuldslamm

CIA-Chef George Tenet übernimmt die Verantwortung dafür, dass der US-Präsident bei der Begründung für den Irakkrieg die Unwahrheit gesagt hat. Doch die Ungereimtheiten mehren sich

WASHINGTON taz ■ Auch nach dem Schuldeingeständnis von CIA-Direktor George Tenet hält die Kritik an Präsident George W. Bush an. Tenet hatte in der Affäre um die Falschinformationen zum angeblichen Uranhandel zwischen dem Irak und Niger die Verantwortung übernommen. Führende Demokraten warfen Bush vor, er habe Tenet zum Sündenbock gemacht.

Tenet erklärte am Freitag, die CIA hätte die Aussage, der Irak habe in Afrika waffenfähiges Uran kaufen wollen, aus dem Redemanuskript des US-Präsidenten streichen müssen. Wörtlich sagte er: „Wir haben die Rede des Präsidenten vorher abgesegnet. Der Präsident musste davon ausgehen, dass der ihm vorgelegte Text korrekt war.“

Bush hatte in seiner Rede zur Lage der Nation auf britische Geheimdiensterkenntnisse verwiesen und erklärt, der Irak versuche Uran in Afrika zu erwerben. In der vergangenen Woche musste das Weiße Haus zugeben, dass sich die Informationen auf gefälschte Dokumente stützten.

Noch während seiner Afrika-Reise hatte Bush der CIA die Verantwortung für die Falschinformationen zugewiesen. In Washington wurde bereits über den Rücktritt von Tenet spekuliert. Bush sprach ihm jedoch weiterhin sein Vertrauen aus. Für ihn sei die Sache damit erledigt.

Für die CIA und Opposition dürfte die Affäre aber jetzt erst beginnen. Geheimdienstmitarbeiter sehen ihren Chef als polisches Bauernopfer, mit dem von möglichen Manipulationsversuchen des Weißen Hauses abgelenkt werde. „Was wusste Bush wann und wie?“, fragen die Demokraten. Warum kann sich Bushs Chef-Redenschreiber nicht erinnern, wer die betreffenden Zeilen geschrieben hat?

Unklar ist zudem weiterhin, warum Tenet im Januar nicht intervenierte, obwohl er drei Monate vorher die gleiche Behauptung über Bagdads Afrika-Connection aus einer anderen Rede Bushs streichen ließ. Und warum finden sich die Vorwürfe über den Uranhandel im US-Geheimdienst-Dossier vom vergangenen Oktober, obwohl schon zuvor festgestellt wurde, dass es sich um eine Fälschung handelt?

Aufgrund der wachsenden Zweifel an Bushs Kriegslegitimation steht zu erwarten, dass die Demokraten auch noch den verbleibenden Kriegsgrund, Saddam Hussein habe mit der Terrorgruppe al-Qaida zusammengearbeitet, hinterfragen werden. Obwohl die CIA stets darauf verwiesen hat, dass sich diese Verbindung nicht beweisen lässt, hält das Weiße Haus an der Behauptung fest.

Nach den Hiobsbotschaften und quälenden Fragen konnte die Bush-Regierung am Sonntag wenigstens eine positive Nachricht vermelden: die Bildung eines irakischen Regierungsrats. Dieser kam gestern in Bagdad zu seiner ersten Sitzung zusammen. Der Chef der US-Zivilverwaltung verfügt allerdings über ein Vetorecht. MICHAEL STRECK

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