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Archiv-Artikel

Rechte Genforschung

Innensenator Schill sorgt für Aufsehen, da er Ladendiebe und Schwarzfahrer wie Mörder und Vergewaltiger behandeln möchte. Selbst Polizeigewerkschaft distanziert sich

Schwarzfahren ist ein Vergehen, Rechtsbeugung ein Verbrechen, unerlaubter Waffenbesitz eine Straftat und Koksen ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz: Ob Innensenator Ronald Schill schon schwarzgefahren ist, ist unklar. Der anderen Delikte war er zumindest schon verdächtig. Trotzdem hat er sich nie einem Gentest unterzogen, den er jetzt im Sommerloch zur Stimmungsmache gegen Schwarzfahrer und Ladendiebe nutzt. Das geht selbst der Gewerkschaft der Polizei zu weit. „Nicht jeder Schwarzfahrer und Ladendieb vergewaltigt auch“, sagt Geschäftsführer Jürgen Lamp.

Bereits vor vier Wochen hatte Schill offenkundig Polizeipräsident Udo Nagel vorgeschickt, einer neuen Diskussion um die Ausweitung der DNA-Analyse als ein künftig normales erkennungdienstliches Mittel den Weg zu ebnen. Jetzt zieht der Chef selbst nach. „Die Speichelprobe greift nicht stärker in Persönlichkeitsrechte ein als ein Fingerabdruck“, sagte der Senator in einem Zeitungsinterview am Wochenende (taz berichtete). Schill, der im vergangenen Jahr in der Koks-Affäre zu seiner Entlastung zwar ein Haar genanalysieren ließ, aber nur in einem von seinem Staatsrat Walter Wellinghausen ausgesuchten Münchner Institut. Und nicht durch das Bundeskriminalamt. „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund die Anwendung der DNA-Analyse zu begrenzen“, sagt er heute.

Der innenpolitische Sprecher der Schill-Partei, Frank-Michael Bauer, bemüht sich um Schadensbegrenzung und versucht die Worte des Parteivorsitzenden zu relativieren, nachdem auch der Koalitionspartner FDP protestiert hatte. „Es geht um die Genprobe für Straftäter“, so Bauer, „es ging niemals um einen Gentest bei Bagatell-Delikten – und das wissen alle Leute, die jetzt vorschnell kritisieren.“

Das zeugt von Unkenntnis: Denn schon bei einer Vielzahl von Katalogstraftaten – so will es das rot-grüne Genänderungsgesetz von 1999 – können präventive Gentests bei einer negativen Prognose angeordnet werden. Sie bedürfen jedoch einer richterlichen Überprüfung und Anordnung. Und das ist genau das, was die Polizei-Hardliner nicht wollen. KAI VON APPEN