: Noch ist Althaus nicht verloren
So aufregend wie die Politiker sehen die Thüringer ihre bevorstehende Landtagswahl selbst nicht. Dabei könnte es am Sonntag sehr spannend werden
AUS ERFURT MICHAEL BARTSCH
Noch ist Althaus nicht verloren! Das meint jedenfalls dessen Weggefährte, Thüringens CDU-Sozialminister Klaus Zeh. Umfragewerte zwischen 42 und 45 Prozent verzerrten beim täglichen Streetworking am Wahlstand das tatsächliche Meinungsbild, und PDS und CDU würden unterbewertet, „weil sich Bürger nicht trauen, sich offen zu ihnen zu bekennen“. Also keine Panik!
Zeh beobachtet unter den Thüringern eine große Wahlmüdigkeit. Die korrespondiert einerseits mit dem schleppenden Wahlkampf, kontrastiert andererseits mit der Spannung, die sich wegen der Umfrageergebnisse aufgebaut hat. Verfehlt nämlich die CDU ihr Wahlziel der absoluten Landtagsmehrheit und schaffen zumindest die Bündnisgrünen, lässt sich nahezu jede Partnervermittlungsoption durchspielen. Am lautesten wird derzeit über Schwarz-Grün spekuliert.
Ministerpräsident Dieter Althaus, der sich grundsätzlich nicht an „solchen Spielchen“ beteiligen will, nennt die Grünen „Blockierer der Landesentwicklung“. Die wiederum schließen zwar nichts außer der Zusammenarbeit mit der PDS aus, fordern aber von jedem potenziellen Partner eine üppige Morgengabe. Ein Gentech-freies Thüringen etwa und eine Alternative zu der kostspieligen ICE-Trasse durch den Thüringer Wald. „Wir werden richtig teuer“, sagt Landessprecherin Astrid Rothe.
Die CDU dürfte streng genommen mit niemandem koalieren, da alle Parteien außer ihr das straff gegliederte, selektive Thüringer Schulsystem durch eine längere gemeinsame Schulzeit ablösen wollen. Mit der PDS und ihrem gewerkschaftskampferprobten Eloquenzwunder Bodo Ramelow an der Spitze will wiederum keiner – obwohl Ramelow und Althaus einander im MDR-Fernsehstreitgespräch häufiger bestätigend zunickten zu als Althaus und sein denkbarer Großkoalitionspartner Christoph Matschie von der SPD. Der Staatssekretär im Bundesforschungsministerium hat nicht nur das Problem, von seiner Bundespartei bei Sozialthemen und beim Aufbau Ost dauernd im Regen stehen gelassen zu werden. Auch seine Distanz zur PDS wird nicht von allen Thüringer Genossen geteilt. Sowohl PDS als auch CDU sind überzeugt, dass er ausgewechselt wird, wenn die SPD bundesweit eine Chance zur Trendwende sieht – und sei es mit einem rot-rot-grünen Konstrukt unter einem PDS-Ministerpräsidenten. Denn die PDS dürfte mit über 20 Prozent vor der SPD einkommen.
Ganz anders sähen die „Spielchen“ wiederum aus, schaffte die zerstrittene Thüringer FDP den unwahrscheinlichen Sprung über die Fünfprozenthürde. Oder die Althaus-CDU hätte im Endspurt doch noch Erfolg, weil sie in letzter Minute Oppositionsthemen wie Wasser- und Abwassergebühren oder den Tourismus aufgegriffen hat.
„Er setzt durch, was gut für Thüringen ist“, wirbt die CDU für Althaus. Das hat er in der Vergangenheit auch schon gegen die eigene Partei getan. Kritik an der vorgezogenen Steuerreform, an einseitiger „Leuchtturmförderung“ oder Hartz IV trug ihm Sympathien ein. Von Wechselstimmung kann in Thüringen trotz der interessanten Konstellation jedoch keine Rede sein.