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Archiv-Artikel

Mit Sexbomben in‘s Sommerloch

Einen schönen guten Morgen, Herr Oberlehrer Lemke: Bremens Bildungssenator sorgt sich um die Sekundärtugenden deutscher Schüler, um den keuschen Blick von Junglehrern – und um Zucht und Ordnung an den Lernanstalten überhaupt

taz ■ Um das Sommerloch zwischen Berlusconi und Bohlen zu überbrücken, hat der Bremer Bildungssenator Willi Lemke (SPD) gestern mehr Disziplin an deutschen Schulen gefordert. Neben dem Bild eines mit stechendem Blick gestreng äugenden Senators schrie die Bild-Zeitung dem bräsig in den Ferien fläzenden Land entgegen: „Deutsche Schüler sind unhöflich! unpünktlich! schlampig!“ Der „mächtige“ Bildungssenator gehe „hart mit unseren Kindern ins Gericht“, hieß es – und schon lederte Lemke los.

Es gebe „Sexbomben an unseren Schulen, da möchte ich nicht Junglehrer sein“, zitierte Bild den 56-jährigen Senator zur Bauchfrei-Mode – ohne mit einem Wort auf etwaige Blicke von Lehrkräften im fortgeschrittenen Alter einzugehen. Reizwäsche passe „vielleicht in die Disco oder in die Badeanstalt“, in den Klassenzimmern jedoch sollten sich „die Mädchen ordentlich anziehen“. Darüber hinaus beklagte sich Lemke über die Manieren der Eleven. Die Schüler bräuchten Regeln und Grenzen, sie müssten sich wieder höflicher, respektvoller verhalten. „Welche Klasse steht noch auf, um den Lehrer zu begrüßen?“, fragte der Senator. Gegen Schulschwänzer, die sich schon vor Ende des Schuljahrs vom Acker machten, müsse „viel konsequenter“ vorgegangen werden – auch mit Geldstrafen gegen die Eltern. Schließlich – das durfte beim Lemke’schen Rundumschlag nicht fehlen – bekamen auch noch die Lehrer ihr Fett ab. „Es gehört sich auch nicht, wenn einzelne Lehrer mit Schlabberjeans, Jesuslatschen und Hemd aus der Hose in das Klassenzimmer schlurfen.“

Reflexartig reagierten gestern die „Stallwachen“ der anderen Parteien auf den Vorstoß des Sozialdemokraten: „Unglaublich pauschal“ sei Lemkes Schülerschelte, sagte der CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer. Anstatt generell alle Schüler zu kritisieren, solle Lemke zugeben, dass die „von den Sozialdemokraten bevorzugte so genannte Reformpädagogik“ zum Vernachlässigen von Werten wie Disziplin und Pünktlichkeit geführt habe, so Rohmeyer.

Von einem „hoffentlich einmaligen Ausrutscher“ Lemkes sprach die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Anja Stahmann. Statt ums Outfit der Jugendlichen solle sich der Senator lieber um die Inhalte an den Schulen kümmern. „Bremen hat die schlechtesten PISA-Ergebnisse der Republik, Ursache dafür sind nicht bauchfreie T-Shirts und Piercings“, so Stahmann.

„Wir finden die Sache so lächerlich, dass wir noch nicht einmal eine Presseerklärung dazu herausgegeben haben“, reagierte Lea Voigt von der GesamtschülerInnenvertretung. „Wenn sich Herr Lemke wundert, dass man an den Schulen nicht nett zueinander ist, dann soll er sich mal die Bremer Schulen anschauen.“

Den GEW-Landeschef Jürgen Burger erinnerte die Lemke-Schelte „so ein bisschen an die geistig-moralische Wende, die Helmut Kohl vergeblich ausrufen wollte“. Mit der bremischen Bildungspolitik von SPD und CDU werde das soziale Verhalten gerade nicht stärker trainiert. Stattdessen setze das System allein auf die kognitive Erziehung und fördere damit weiter die Ellenbogenmentalität. Markus Jox