: Frieden schaffen mit noch mehr Waffen
Internationales Friedensforschungsinstitut Stockholm: Die weltweiten Rüstungsausgaben sind seit zwei Jahren um ein Fünftel gestiegen. Deutschland lebt immer besser vom Geschäft mit dem Tötungsgerät: als jetzt viertgrößter Waffenexporteur
AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF
956 Milliarden Dollar wurden im vergangenen Jahr weltweit für Kriegsgerät ausgegeben. Das sind 11 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Letztes Jahr lag die Steigerungsrate noch bei 6,5 Prozent. Das geht aus dem Jahrbuch 2003 des internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri hervor, das gestern in Stockholm veröffentlicht wurde.
Hauptexportländer waren 2003 Russland und die USA. Hinter Frankreich folgt Deutschland mit 6 Prozent des weltweiten Rüstungsexports an vierter Stelle. Die besten Kunden der Waffenhändler sind in der westlichen Welt – oder den „High income“-Ländern – zu finden. So fallen auf 16 Prozent der Weltbevölkerung 75 Prozent der Rüstungsausgaben. Die Ausgaben der hoch entwickelten Staaten für militärische Zwecke zusammen liegen dabei derzeit zehnmal so hoch wie ihre Leistungen für die Entwicklungshilfe und höher als alle Auslandsschulden der armen Länder zusammen, heißt es in dem Jahrbuch.
Der 11. September ist laut Sipri keine ausreichende Erklärung für den neuen Boom nach einem Jahrzehnt zurückhaltender Aufrüstung. Rechnet man nämlich die Kosten für die Kriege in Afghanistan und Irak – sowie anderer „Anti-Terror-Kriegseinsätze“ – heraus, bliebe unter dem Strich nur eine Steigerung von vier Prozent. Die Welt rüstet also auch ohne solch kriegsbedingte Ersatzinvestitionen real auf.
An der Spitze der Aufrüstung stehen die USA. Auf sie entfallen allein knapp die Hälfte aller Ausgaben. „Der Zuwachs ist in den meisten anderen Ländern wesentlich geringer und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese der von den USA gesetzten Tendenz folgen werden“, heißt es im Jahrbuch. Indien, Japan und China hätten Wachstumsraten, die jeweils ihrem Bruttoinlandsprodukt entsprächen. Ein spezielles Lob bekommt Brasilien: Das Land habe bewiesen, dass es möglich sei, seine Rüstungsausgaben zu senken, ohne dabei an regionalem oder globalem Einfluss zu verlieren.
Der Irakkrieg als alles beherrschendes sicherheitspolitisches Ereignis prägt auch weite Teile des Sipri-Jahrbuchs. Die britische Sipri-Chefin Alyson Bayles meinte dazu: „Die erfolgreiche Besetzung einer Nation mit 23 Millionen Menschen zu niedrigen Kosten hat die einzigartige Stärke der USA gezeigt. Die Nachwirkungen zeigten eher ihre Grenzen und den begrenzten Sinn militärischer Macht generell auf.“ Die USA haben, so Bayles, zwar „ihre Feinde besiegt, waren aber unfähig, ihre Freunde zu überzeugen“.
Erfreulicherweise habe sich die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen nicht bestätigt. Und es gebe eine gute Chance, für „gegenwärtige oder künftige Probleme mit Massenvernichtungswaffen weniger gewaltsame Lösungen“ zu finden. Genannt wurden hierzu der Iran, Nordkorea und Libyen. Die Welt werde mit Sars, Klimawandel und anderen Umweltproblemen nämlich von immensen nichtmilitärischen Gefahren bedroht. Zu deren Bekämpfung müssten Ressourcen freigemacht werden, die jetzt noch durch Rüstungsausgaben gebunden seien.