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Archiv-Artikel

Gerichte bleiben mieterfeindlich

Bereits zum zweiten Mal erklärt das Oberverwaltungsgericht die Mietobergrenzen in Berlin für ungültig. Strittig ist die Frage des Modernisierungsstandards. Bezirke suchen nach anderen Lösungen

von UWE RADA

Die Berliner Gerichte bleiben mieterfeindlich. Erneut hat das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) die so genannten Mietobergrenzen faktisch für ungültig erklärt. Die Bezirke dürfen ihre Genehmigung für ein Bauvorhaben nicht mehr an die Einhaltung bestimmter Mietgrenzen knüpfen. Betroffen sind die 18 Milieuschutzgebiete der Stadt. Alleine in Pankow sind das 25.000 Haushalte.

Das OVG verhandelte gestern die Berufungsklage des Bezirks Pankow gegen drei Urteile des Verwaltungsgerichts. In ihnen war den Eigentümern Recht gegeben worden, die Einspruch gegen die bezirklichen Mietobergrenzen erhoben hatten. Im Einzelnen ging es darum, ob der Einbau von Gasetagenheizungen und Isolierfenstern genehmigungspflichtig waren. Ja, hatte der Bezirk argumentiert und darauf verwiesen, dass im entsprechenden Milieuschutzgebiet Falkplatz solche Modernisierungen zum Zeitpunkt des Bauantrags noch nicht Standard gewesen seien. Nein, sagte das Verwaltungsgericht und verwies darauf, dass nicht vom Standard eines Gebiets auszugehen sei, sondern von einem „bundesweit geltenden Maßstab“. Dieser Rechtsauffassung hatte sich gestern das OVG angeschlossen.

Der Berliner Mieterverein nannte das Urteil gestern „unheilvoll“. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum das Gericht den bundesweiten Maßstab zugrunde lege, sagte Vereinschef Hartmann Vetter. Er forderte das Bezirksamt Pankow auf, sämtliche Rechtsmittel einzulegen. Darüber hinaus solle der Senat eine Bundesratsinitiative starten, mit der der zeitgemäße Standard präzisiert werde.

Inzwischen haben die Bezirke jedoch ihre Genehmigungspraxis geändert. Beim bloßen Einbau von Bädern, Heizungen und Isolierfenstern werde die Genehmigung nicht mehr an die Einhaltung von Mietobergrenzen geknüpft, sagte gestern der Geschäftsführer der Mieterberatung Prenzlauer Berg, Ulli Lautenschläger. Vor dem Einbau von Fahrstühlen oder beim Anbau von Balkonen dränge die Bezirksverwaltung aber auf den Abschluss eines öffentlichen-rechtlichen Vertrages. Darin verpflichten sich die Eigentümer, bestimmte Mietgrenzen einzuhalten oder dem Bezirk Belegungsrechte zur Verfügung zu stellen. Möglich ist dies, weil Fahrstühle und Balkone auch bundesweit noch kein Sanierungsstandard seien.

Das gestrige OVG-Urteil ist bereits das zweite des Gerichts zur Frage der Mietobergrenzen. Schon im Februar hatte das OVG ein Verwaltungsgerichtsurteil von 2002 im Friedrichshainer Samariterviertel nicht nur bestätigt, sondern war sogar darüber hinausgegangen. Mietobergrenzen, so das OVG-Urteil damals, seien nicht nur in leeren Wohnungen ungültig, sondern auch in bewohnten.