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Archiv-Artikel

Alles muss raus: Ausverkauf bei Eichel

Finanzminister will fast alle Aktien von Post und Telekom verkaufen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Hohe Kosten für den Bund. Ökonom: „Intelligente Umschiffung des Grundgesetzes“. Gewerkschaft fordert als Alternative gerechte Steuerpolitik

AUS BERLIN HANNES KOCH

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) plant den Verkauf der meisten Aktien von Post und Telekom, die noch im Besitz des Bundes sind. Das erfuhr die taz aus rot-grünen Regierungskreisen. Anders sei die Finanzlücke von mindestens 15 Milliarden Euro im Haushalt 2005 nicht zu schließen, hieß es. Mit dem Geschäft löst Eichel seine ärgsten Geldprobleme – doch es kommt ihn teuer zu stehen.

Die Aktien der Deutschen Telekom AG (Bundesbesitz: rund 26 Prozent) und der Deutschen Post AG (rund 20 Prozent) sollen bei der öffentlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zwischengelagert werden. Dieses so genannte Platzhaltergeschäft würde für den Bund mit hohen Kosten verbunden sein. Würde das komplette Aktienpaket, das zur Zeit etwa 15 Milliarden Euro wert ist, an die KfW abgegeben, müsste Eichel rund 1,5 Milliarden Euro an das Institut überweisen. Diese Summe braucht die Bank, um ihr Eigenkapital zu erhöhen, das als Sicherheit für derartige Geschäfte dient. Die Aktien soll die KfW später an der Börse verkaufen.

Die hohen Kosten solcher Platzhaltergeschäfte hat der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit bereits moniert. Auch in der Regierung heißt es, es handele sich um eine „ziemlich teure Kreditaufnahme“. Während die Marktzinsen bei rund 5 Prozent liegen, muss Eichel beim KfW-Geschäft 10 Prozent bezahlen.

Ökonom Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezeichnete den geplanten Verkauf als „verdeckte Kreditaufnahme“ und „intelligente Umschiffung des Grundgesetzes“. Die Verfassung sieht vor, dass die Verschuldung nicht höher ausfallen darf als die Investitionen. Um diese Vorschrift einzuhalten, ist Eichel auf die Privatisierung angewiesen.

Zu Eichels Spar- und Privatisierungspolitik gibt es nach Ansicht der Gewerkschaften eine Alternative. In ihrem Arbeitnehmerbegehren fordern die IG Metall und andere Branchengewerkschaften, Eichel solle sich Geld beschaffen, indem er den Spitzensteuersatz für Wohlhabende weniger stark senke und die Vermögensteuer wieder einführe.

Am 23. Juni will Bundesfinanzminister Hans Eichel im Bundeskabinett seinen Etatentwurf für 2005 vorstellen. Bis dahin müssen die gegenwärtigen Verhandlungen mit den anderen Ministern abgeschlossen sein.