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Archiv-Artikel

Stadtkastanien werden eingemottet

Braune Blätter, im Juni Laub auf den Straßen – die Miniermotte bedroht auch die Kastanien an Rhein und Ruhr. Ein Heilmittel gegen den Schädling gibt es nicht. Bürger fürchten, dass geschwächte Bäume zu schnell gefällt werden

DÜSSELDORF taz ■ In den Städten wird es plötzlich Herbst – Anfang Juni verwelken die Blätter vieler Kastanien. Der verfrühte Blattverlust wird von der Miniermotte verursacht. Seit einigen Jahren macht der zugewanderte Schädling den Kastanien das Leben schwer. Die Motte legt ihre Eier auf die Blätter der Bäume, in die sich die geschlüpften Larven hineinfressen. Die Blätter fallen ab. Die Larven verpuppen sich, überwintern, werden wieder zu Motten – und das Spiel geht von neuem los. Das Problem: Die Bäume werden jedes Jahr anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Und es gibt bislang kein Mittel, das die Bäume heilt.

In Duisburg waren im letzten Jahr einhundert Prozent der weißblühenden Rosskastanie befallen. Bei der Gegenwehr vertraut man hier auf die Selbstheilungskräfte der Natur. Stefan Jeschke vom städtischen Umwelt- und Forstamt: „Wir hoffen darauf, dass sich biologische Gegenspieler der Motte einfinden und das Problem lösen.“ Privatleuten, die eine Kastanie haben, rät er, das Laub wegzuräumen, weil dort die Larven überwintern – die einzige Methode, die zurzeit Wirkung verspricht. Jeschke: „Wegen Personalknappheit können wir das in Duisburgs Parks und Straßen aber nicht machen.“

Ähnlich in Düsseldorf: Für gründliches Laubsammeln bei den 5.400 Kastanien fehle das Personal – so Bert Gillet, Leiter des Gartenbauamts. „Aber wir testen gerade eine chemische Methode.“ Die Lock- und Duftstoff-Methode - ähnlich der bei Borkenkäfern - habe nichts gebracht.

Was in Düsseldorf nichts bringt, testet man in Mühlheim an der Ruhr noch: Dietrich Pfaff vom Eigenbetrieb Grün und Wald sagt: „Am Anne-Frank-Platz, der völlig von Kastanien umstanden ist, haben wir Lockstoff-Fallen aufgestellt. Paarungswilligen Männchen der Motte sollen daran festkleben.“

Die meisten Städte haben das Motten-Problem, aber jeder probiert etwas in Eigenregie. Das NRW-Umweltministerium habe bisher keine Tests und Untersuchungen in Auftrag gegeben – so Ministeriums-Sprecherin Sabine Raddatz, zuständig sei die Landwirtschaftskammer NRW:„Wir haben chemische als auch biologische Mittel getestet, bisher ohne Erfolg“, sagt deren Pflanzenschutzexpertin Marianne Klug. Und verweist auf Ergebnisse aus Bayern; da die Motte von Süd-Osten nach Deutschland einwanderte, gibt es das Problem dort schon länger: „Da hat man ein chemisches Insektizid in den Baum gespritzt, das gegen die Tiere wirkte.“ Nachteil, es könne die Laubzersetzung verzögern. Und weil die Herstellerfirma deshalb schlechte Publicity befürchte, verweigere sie die Zulassung.

Natürlich lässt sich das Problem auch radikal angehen. Weil in Düsseldorf-Grafenberg Kastanien gefällt wurden, haben sich jetzt 80 Anwohner formiert: Sie fürchten, dass geschwächte Bäume zu schnell gefällt werden. Andrea Vogelgesang, Anwohnersprecherin: „An den Bäumen waren keine Schäden zu sehen, trotzdem sagten Mitarbeiter der Stadt, die Kastanien müssten gefällt werden.“ Auch sei Schonzeit für Vögel gewesen. Die Grafenberger fordern nun genauere Informationen von der Stadt.

Die wiegelt ab: Wegen der Motte sei noch kein Baum gefällt worden, sagt man bei den Ämtern in Düsseldorf, Duisburg und Mühlheim. „Wir fällen, wenn die Bäume nicht mehr verkehrssicher sind,“ sagt Düsseldorfs Amtsleiter Gillet. Wenn Menschen zu Schaden kommen könnten, fälle die Stadt auch in der Schonzeit.

Für Horst Meister, Baumexperte des BUND NRW ein Unding: „Das nennen sie immer als Grund, weil niemand will, dass Menschen zu Schaden kommen.“ Es sei aber nicht definiert, ab wann genau die Sicherheit gefährdet sei. „Dann kann man fast jeden Baum fällen.“ Meister tritt für mehr Transparenz ein. „Man kann verlangen, dass man verständlich informiert wird.“ In seinem Wohnort Viersen habe er erreicht, dass den Umweltverbänden ein Fällungsplan vorgelegt wird. Und es gibt gemeinsame Begehungen, bei der die Umweltschützer ihre Bedenken vorbringen könnten. CHRISTIAN VATTER