: Erfolg für Kritiker
Europaweit ist die Wahlbeteiligung gering. Davon profitieren europaskeptische Parteien
VON SABINE HERRE
Ebenso wie in Deutschland haben auch in vielen anderen EU-Staaten die Bürger die Europawahl genutzt, um ihre eigene nationale Regierung abzustrafen. Zugleich lag in den meisten der 25 EU-Staaten die Wahlbeteiligung deutlich unter der von 1999. Von vielen Beobachtern wurde dies als Hauptgrund für den Wahlerfolg von europakritischen Parteien gewertet.
Vor allem in Tschechien wurden die politischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. So gewannen die drei regierenden Parteien des Landes zusammen nur 5 von 24 tschechischen Sitzen im Europaparlament. Die Sozialdemokraten von Premierminister Vladimír Špidla verloren zwei Drittel ihrer Wähler und landeten mit nur 10,5 Prozent auf dem dritten Platz. Einen Rücktritt schloss der Premier jedoch aus.
Klarer Wahlgewinner in Tschechien ist die von Staatspräsident Václav Klaus gegründete neoliberale ODS, die gegenüber den letzten Parlamentswahlen (2002) 6 Prozentpunkte hinzugewann und nun 9 Abgeordnete ins Europaparlament schickt. In der Fraktion der Europäischen Volkspartei „EVP“ werden die britischen Konservativen damit nun neue Verbündete bekommen. Und auch die europafeindliche KP Böhmens und Mährens, die leicht verlor und auf 17 Prozent kam, entsendet 5 linksnationalistische Abgeordnete nach Straßburg.
Klar europafreundlich orientiert ist dagegen das Parteienbündnis des früheren tschechischen Außenministers Josef Zieleniec, das auf Anhieb auf 10 Prozent kam und wie die Sozialdemokraten 3 Mandate erhält. Einen weiteren Überraschungserfolg erzielten die Grünen mit 4,5 Prozent und die neu gegründete Partei des „tschechischen Berlusconi“ Vladimír Železny mit 8,5 Prozent.
Erfolgreich waren die EU-Kritiker auch in Österreich: Die neue Liste von Hans-Peter Martin „HPM“ erreichte 14 Prozent und damit 2 Sitze. Martin hatte besonders deutschen EU-Abgeordneten Spesenbetrug vorgeworfen, die Anschuldigungen jedoch nie belegen können. Der Erfolg der HPM ging freilich auf Kosten der FPÖ. Die Partei von Jörg Haider, die bisher an der Spitze der österreichischen EU-Kritiker gestanden hatte, verlor 17,3 Prozentpunkte und kam mit 6,1 Prozent nur auf den fünften Platz. Zwischen Sozialdemokraten und Konservativen in Österreich zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Die regierende ÖVP von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und die SPÖ legten beide leicht zu und lagen mit 34 Prozent etwa gleichauf. Die Grünen konnten ihr Ergebnis um über 3 Prozentpunkte verbessern und erreichten 12,8 Prozent.
Einen triumphalen Erfolg erzielten auch die britischen EU-Gegner: Die UK Independence Party, die den Austritt Großbritanniens aus der Union fordert, kam auf 18 Prozent. Sie nahmen vor allem den britischen Konservativen Stimmen ab, die 14 Prozentpunkte verloren und bei 22 Prozent landeten. Die Labour-Party von Tony Blair verlor 6 Prozentpunkte und erzielte ebenfalls 22 Prozent. In Lettland kam die oppositionelle nationalistische Vaterlandspartei auf 30 Prozent, die Partei der russischen Minderheit auf 10 Prozent.
In den meisten EU-Staaten gingen noch weniger Menschen zu den Urnen als 1999. In den neuen Mitgliedsstaaten war das Interesse an der ersten Europawahl noch geringer als in den alten, die Beteiligung lag zwischen 20 und 40 Prozent. Allein in Malta wurde ein Spitzenwert von 82 Prozent erreicht. Einen absoluten Tiefpunkt gab es in Polen, wo bis zum Mittag nur 6 Prozent wählten. Verantwortlich hierfür dürften vor allem die Bauern sein, die nach eigenen Angaben die Wahl boykottierten.
Wie erwartet fiel das Ergebnis in Frankreich aus. Dort straften die Wähler die konservative Regierung Raffarin wie schon bei den Regionalwahlen ab. Die Sozialisten kamen auf 31 Prozent und damit auf ebenso viel wie die beiden Regierungsparteien UMP und UDF zusammen. Bestätigt wurden dagegen die konservativen Regierungen in Griechenland, Slowenien und Luxemburg.
Bereits am Freitag hatten die Iren ihre 13 Europaabgeordneten gewählt. Nach Umfragen kam die regierende Partei Fianna Fáil von Ministerpräsident Bertie Ahern auf 33 Prozent der Stimmen und erzielte damit 6 Prozentpunkte weniger als bei der Europawahl 1999.
In den Italien, Polen und Spanien schlossen die Wahllokale erst am späten Abend. Mit Endergebnissen wurde in der Nacht zum Montag gerechnet. Um die 732 Sitze im Europaparlament bewarben sich 14.700 Kandidaten.