: Seine Herrlichkeit Jörg Schulz
Der Bremerhavener Oberbürgermeister hat 25 Mal gegen Haushaltsrecht verstoßen. Seine Unterschrift sei „schwebend unwirksam“, stellt der Senat fest. Es geht um 112 Millionen Euro
VON KLAUS WOLSCHNER
Der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) ist seit 1999 im Amt und nach so vielen Jahren wird so mancher Politiker ein wenig selbstherrlich – oder, wenn man so will, amtsmüde. Jedenfalls will Schulz (55), von Beruf Amtsrichter, bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten. Dazu beigetragen hat sicherlich der Unmut in der SPD über die Alleingänge des Oberbürgermeisters – etwa den bei der Behandlung des Haushaltsrechts der Stadtverordneten. Immerhin sind Kredite über 112 Millionen Euro „schwebend unwirksam“, so hat es der Senat in einem Sachstandsbericht festgestellt, weil der Oberbürgermeister eigenmächtig „Schuldbeitritte“ unterschrieben hat, ohne die demokratisch legitimierten Gremien und die Aufsichtsbehörde – das Bremer Finanzressort – davon zu unterrichten. Seine Unterschrift sei damit rechtsunwirksam.
Es handelt sich um 25 Vorgänge. Dass Schulz vorsätzlich und damit „bewusst schuldhaft“ gehandelt habe, will der Senat nicht behaupten – das könnte rechtliche Folgen haben für den Oberbürgermeister, der immerhin Jurist ist. Immerhin muss die Stadtverordnetenversammlung, so will der Senat am kommenden Dienstag beschließen, die Verstöße gegen Haushaltsrecht nachträglich „heilen“, damit die Schuldbeitritte endlich rechtlich wirksam werden.
Der Oberbürgermeister weist Kritik zurück. Durch keine der Schulz-Unterschriften habe der Stadt Bremerhaven Schaden entstehen können, beschloss der Magistrat trotzig noch am 20. Oktober 2008. Die Aufforderung des Bremerhavener Rechnungsprüfungsamtes von 2005, die 21 Vorgänge zu „heilen“, hatte der Magistrat noch schlankweg ignoriert und darauf beharrt, alles sei doch rechtens. Erst als der Rechnungshof als „übergeordnete Gemeindeprüfung“ sich einschaltete und den Fall genauso kritisch bewertete, lenkte der Magistrat teilweise ein. Die Stadtverordnetenversammlung hat die Schuldbeitritte aus den Jahren 2001 bis 2005 in einem pauschalen Beschluss am 18. September 2008 zur Kenntnis genommen – ohne sich um die rechtlichen Details zu scheren. Die Finanzsenatorin schlägt vor, abweichend von dem Votum des Rechnungshofes den Bremerhavener Beschluss „so auszulegen“, dass damit das Richtige gemeint gewesen sei. Was fehlt, wäre allerdings die nachträgliche Kreditermächtigung in einem Nachtragshaushalt 2009.
Warum hat der Bremerhavener CDU-Politiker Michael Teiser in einem förmlichen Brief an das Bremer Finanzressort im Sommer 2008 seinen Koalitionspartner Schulz nach allen Regeln der Kunst verpfiffen? Was hat den Bremerhavener OB geritten, trotz sicherer Mehrheiten auf eine offizielle Beschlussfassung des Haushaltsgesetzgebers zu verzichten? „Das ist alles sehr merkwürdig“, sagt der Bremerhavener Grünen-Politiker Ulf Eversberg. Eine nachvollziehbare Erklärung habe Schulz bisher nicht gegeben. Gleichzeitig hätten die Grünen, die in Bremerhaven in der Opposition sind, bisher auch vergeblich die umfassende Akteneinsicht verlangt.