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Archiv-Artikel

„Der Streit zerrt an den Nerven“

Björn Radke und Cornelia Möhring, Sprecher der Linken in Schleswig-Holstein, über innerparteiliche Streitereien, die Landtagswahl 2010 und warum die Linke keine Regierungsbeteiligung anstrebt

BJÖRN RADKE, 59, Internetbetreuer und CORNELIA MÖHRING, 49, Sozialökonomin, sind Sprecher der Fraktion Die Linke in Schleswig Holstein.

INTERVIEW ESTHER GEISSLINGER

Frau Möhring, Herr Radke, die Linke Schleswig-Holstein, deren Sprecher Sie sind, zeichnet sich vor allem durch internen Streit aus, entsprechend ist die öffentliche Wahrnehmung. Auf einer Skala von Lachnummer bis Chaostruppe – wo ordnen Sie Ihre Partei zurzeit ein?

Björn Radke: Dieses Bild wird uns nicht gerecht, vor allem nicht der Leistung unserer über 80 Kommunalpolitiker, die hervorragende Arbeit machen. Aber klar ist: Der innerparteiliche Streit zerrt an den Nerven.

Cornelia Möhring: Es ist nur eine Handvoll Leute, die dieses Bild prägt. Das macht die Basis und die Leitung sauer, und inzwischen hat keiner mehr Lust auf diese Streitigkeiten.

Wie können Sie diese „Handvoll“ einbinden?

Möhring: Wir machen deutlich, dass wir mit jedem inhaltlich diskutieren, aber uns nicht auf Beleidigungen einlassen.

Radke: Öffentlich Ressentiments aus der antikommunistischen Mottenkiste, konfrontatives Spalten in „Pöstchenjäger“ dort und „Ehrliche“ hier und immer wieder gezielte Angriffe auf die Integrität Einzelner sind in der Partei nicht mehrheitsfähig. Wir müssen klar machen, dass das auch nicht zukunftsfähig ist.

Bei Ihrem Parteitag am Wochenende muss der Vorstand neu gewählt werden, weil die Schiedsstelle der Partei die letzte Wahl für ungültig erklärt hat. Eine Ohrfeige für Sie?

Radke: Nein. Die Wahl wurde angefochten, weil einige Delegierte nicht fristgerecht aufgestellt waren. Es werden nur die Wahlen wiederholt, die knapp waren. Ich rechne damit, dass die Ergebnisse nicht viel anders ausfallen.

Für Ihren Posten kandidiert Jörn Seib vom Neumünsteraner Kreis, der sich als Diskussions-Plattform und Sammelbecken der Unzufriedenen versteht. Hat er eine Chance?

Radke: Das muss der Parteitag entscheiden, aber ich bin optimistisch, denn der kommissarische Vorstand hat gute Arbeit geleistet.

Zur Kommunalwahl sind Sie nur mit einigen Eckpunkten angetreten. Haben Sie zur Landtagswahl 2010 ein Programm?

Möhring: Wir wollen ein Programm mit Hand und Fuß, das in der Partei diskutiert wird. Bundestagsabgeordneter Lutz Heilmann hat einen 100-Punkte-Katalog vorgelegt. Davon ist sicher manches richtig, aber wir wollen die Debatte an den Anfang setzen.

Radke: Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise ist es schwierig, einen Forderungskatalog aufzustellen, der die Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt. Wir dürfen keine Bruchlandung neben der Realität hinlegen.

Die Linken profitieren nicht von der Krise. Laut einer Umfrage kämen Sie zurzeit nicht in den Landtag. Müssen Sie lauter schreien?

Radke: Nicht schreien, aber unsere Vorstellungen präzisieren. Wir stehen dafür, die richtigen Fragen zu stellen und den Finger auf die Wunde zu legen.

Möhring: Heute übernehmen andere Parteien linke Forderungen. Darauf müssen wir hinweisen – nicht lauter, aber deutlicher.

Die Linken kritisieren vieles, aber Antworten fehlen oft. Beispiel Hartz IV – das soll weg oder aufgestockt werden. Woher kommen die Mittel?

Möhring: Es ist ja nicht so, dass Geld fehlt. Ich will keine Neiddebatte führen, aber es geht um eine andere Verteilung der Mittel. Wenn Betriebe und Banken gestützt werden, sollte auch die Belegschaft von Zugewinnen profitieren.

Zurzeit machen die Betriebe und Banken ja eher Minus – sollen die Verluste umgelegt werden?

Radke: In einer Krise sind Investitionen nötig, auch um den Preis weiterer Schulden. Das ist zwar nicht schön, aber es gilt, in die Zukunft zu investieren, in Bildung, Gesundheit und Arbeit.

Ihr Ziel für die Landtagswahl lautet Opposition – muss nicht jede Partei eine Regierungsbeteiligung anstreben?

Möhring: Wir scheuen uns nicht vor Verantwortung, aber wir müssen uns fragen, wo wir am meisten erreichen. Wir können die anderen Parteien treiben, und das geht besser in der Opposition und in Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften.

Radke: Wir können den Einzug schaffen, aber es wird für eine strukturelle linke Mehrheit nicht reichen. Und so lange Herr Stegner sich als Bündnispartner die Klientelpartei FDP vorstellen kann, ist ein Zusammengehen mit der SPD keine ernsthafte Perspektive.

Für Wahlen braucht man auch Kandidaten – sind unter den rund 1.000 Mitgliedern im Land genug geeignete?

Radke: Ich denke ja. Die Liste für die Bundestagswahl wird im Mai aufgestellt, für den Landtag später. In der Debatte um das Parteiprogramm werden sich sicher Leute profilieren.

Wird Lutz Heilmann wieder für den Bundestag antreten?

Möhring: Dazu hat er sich uns gegenüber noch nicht erklärt. Antreten kann er natürlich...