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Archiv-Artikel

Brüssel macht Schluss mit Mogelpackungen

Verbraucher in der EU sollen künftig vor irreführenden Werbeslogans für „gesunde“ Nahrungsmittel geschützt werden

BRÜSSEL taz ■ „Verringert Stress und macht optimistisch“ – Hersteller, die so für ihre Tees oder Schokoriegel werben, verstoßen künftig gegen das Gesetz. Gestern stellte EU-Verbraucherkommissar David Byrne einen Verordungsentwurf vor, wonach für Kennzeichnung, Werbung und Vermarktung von Produkten nur noch „klare, zutreffende, aussagekräftige und nachprüfbare Angaben“ erlaubt sein sollen.

Allerdings ist noch Auslegungssache, was das im Einzelnen heißt. Darf eine Lakritzfirma von ihren Produkten behaupten, sie machten „Kinder froh und Erwachsene ebenso“? Klar ist bisher: Angaben, die sich auf das allgemeine Wohlbefinden beziehen wie etwa „Hilft Ihrem Körper, mit Stress fertig zu werden“, sollen nach dem Willen der Kommission in jedem Fall in der Versenkung verschwinden. Genauso Hinweise wie „verbessert Ihr Gedächtnis“ oder Angaben über schlank machende Wirkungen.

Schlechte Zeiten drohen Ärzten und anderen Gesundheitsexperten, die ihr Geld mit dem Lob von Produkte aufbesserten. Diese Stellungnahmen sollen nicht mehr zulässig sein, wenn sie den Eindruck erwecken können, der Verzicht auf das betreffende Lebensmitel könnte die Gesundheit beeinträchtigen. Wer gesundheitsbezogene Werbung für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol macht, verstößt eben falls gegen die Verordnung. Von „Light“-Bier müssen wir uns aber nicht verabschieden.

Auch die Flut unbewiesener und ungenauer Angaben will die Kommission eindämmen. Steht etwa „ballastoffreich“ auf einem Lebensmittel, so muss es mindestens 6 Gramm pro 100 Gramm an Ballaststoffen enthalten. Auch wer sagt, sein Produkt sei „90 Prozent fettfrei“ hat Pech gehabt. Die Angabe mag zwar stimmen, täuscht aber darüber hinweg, dass 10 Prozent Fett schon reichlich viel sind. „Es gibt immer mehr Dicke in Europa“, klagt Kommissar Byrne – dass ihre Anzahl nur auf irreführende Werbung zurückzuführen sei, behauptet er nicht. „Vollweizen kann Ihr Herz gesund halten“: Auch das soll vom Tisch. Bei „fettarm“, „fettfrei“, „arm an gesättigten Fettsäuren“ und anderen Angaben sind Hersteller künftig gezwungen, sich bei ihren Lebensmittelwissenschaftlern kundig zu machen. Wer weiß schon, dass man bei der Angabe „zuckerarm“ nicht einmal 5 Gramm Zucker pro 100 Gramm oder 100 Milliliter unter die Leute bringen darf? Und „natriumfrei“ oder kochsalzfrei“? Da geht es um Höchstmengen von 0,005 Gramm oder den gleichwertigen Gehalt an Salz pro 100 Gramm. Bevor das alles Gesetz wird, werden die Lobbyisten der Lebensmittelhersteller in Brüssel noch so manche Tür einrennen.

GERD RAUHAUS

meinung und diskussion SEITE 13