: Haifischs neue Zähne
Seit der Wende hört man in Dessau auch den amerikanischen Weill. Einmal im Jahr feiert ihn seine Geburtsstadt mit einem Musikfestival
„Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht“, langsam dreht sich die kleine Spieluhr weiter,“Und Macheath, der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht“. Das Souvenir an der Rezeption im Meisterhaus Feininger spielt den Song des Mackie Messer aus der „Dreigroschenoper“, eine Melodie, die den Komponisten und gebürtigen Dessauer Kurt Weill 1928 weltberühmt machte.
Doch viel mehr als die „Dreigroschenoper“ kennen die meisten nicht von Weill. Selbst in seiner Geburtsstadt Dessau war er vor zehn Jahren noch weitgehend unbekannt. Die DDR ehrte Weill zwar als musikalischen Begleiter Bertolt Brechts, erklärte ihn jedoch später zum „Verräter“. Denn der jüdische Komponist emigrierte in die kapitalistische USA und „unterwarf seine vielversprechenden Begabungen dem Broadway“. Nach der Wende besann man sich in Dessau wieder der Goldenen Zwanziger, ihrer historischen Persönlichkeiten und kulturellen Blüte. So gründeten Enthusiasten 1993 die „Kurt-Weill-Gesellschaft“. Seitdem kämpfen sie darum, „das Andenken Kurt Weills in seiner Geburtsstadt auf jede geeignete Weise zu erhalten“.
Für den Verein arbeiten unter anderem Musikspezialisten, die das Leben und Werk des Komponisten erforschen. Sie geben regelmäßig Schriftenreihen heraus, halten Vorträge und Symposien ab. Ihren Sitz, das „Kurt-Weill-Zentrum“, haben sie im Meisterhaus-Viertel der Bauhäusler eingerichtet. Allerdings kann niemand nachweisen, dass der 1900 in Dessau geborene Komponist überhaupt Berührung mit dem Bauhaus hatte. Denn Weills Aufmerksamkeit galt schon früh der Großstadt. Als 17jähriger träumte er von einem „netten kleinen Zimmer in Berlin, Leipzig, in München; und ein Schrank voll Partituren und Büchern und Klavierauszügen und Notenpapier und nur Musik hören und Musik sein.“ Bereits ein Jahr später verließ Weill Dessau für immer.
Die Ausstellung wirkt bislang noch bescheiden. Mühselig trägt man alle Gegenstände zusammen, die an Kurt Weill erinnern: Plakate von Theateraufführungen, ein altes Grammophon mit Original-Schellackplatten der „Dreigroschenoper“. Im Keller befinden sich eine kleine Bibliothek und eine Original-Kreidezeichnung von Max Dungert aus dem Jahre 1922, die den jungen Komponisten zeigt. Bald soll es noch einen Audio- und Videoraum geben. Im Garten wirkt das „Dreigroschenmobil“ des Hallenser Metallkünstlers Mario Schott zwischen den hochgewachsenen Kiefern etwas altersschwach. Früher konnte die skurrile Klangskulptur mit Rädern und Türmen angeblich die ersten Töne des Mackie Messer Songs erzeugen.
Doch wichtiger als Dokumente und Ausstellungsstücke ist die Musik des Komponisten. Es war immer Weills Anliegen, dass seine Lieder im Leben vieler Menschen Platz finden und nicht nur einer kleinen gebildeten Opern-Elite vorbehalten sind. Er wollte damit die konventionelle Operntradition Anfang des 20. Jahrhunderts aufbrechen. Deshalb organisiert die „Kurt-Weill-Gesellschaft“ jedes Jahr anlässlich seines Geburtstages, den 2. März, das zehntägige Kurt-Weill-Fest undinzwischen finden immer mehr „Weillianer“ den Weg nach Dessau. Bei Theateraufführungen, Lesungen, Konzerten, Filmen und Ausstellungen zeigt man auch Werke des Komponisten, die lange als verschollen galten, in unvollständigen Fassungen vorlagen oder bisher in Deutschland nicht aufgeführt wurden. Natürlich kann niemand den Broadway nach Dessau holen. Aber die Initiatoren des Festes bemühen sich, Weills amerikanische Kompositionen hierzulande bekannter zu machen. Mit der diesjährigen Inszenierung des Broadway-Musicals „Street Scene“ am Anhaltischen Theater Dessau kehren zumindest die Melodien des Amerikaners Weill zurück. nächstes Kurt-Weill-Fest: 25.02.05- 06.03.05 weitere Informationen unter www.kurt-weill-fest.de
Ulrike Seyffarth