: Eichel nimmt Schuld auf sich
Finanzminister will vorgezogene Steuerreform überwiegend mit Krediten finanzieren. Dazu kommen erhoffte Privatisierungserlöse und ein magerer Subventionsabbau. Opposition: Pläne ungenügend
BERLIN afp/dpa/taz ■ Die rot-grüne Bundesregierung will das Vorziehen der Steuerreform hauptsächlich über Kredite finanzieren. Die zusätzlichen Schulden, die Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) im Jahr 2004 dafür aufnehmen will, sollen bei 5 Milliarden Euro liegen. Damit erhöht sich die Neuverschuldung kommendes Jahr auf 29 Milliarden Euro. Dennoch meint Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), den Maastricht-Stabilitätspakt einhalten zu können. Die Opposition lehnte die Pläne ab.
Wenn die Pläne von Rot-Grün durchgehen, sinkt der Eingangssteuersatz bereits ab 1. Januar kommenden Jahre von 19 auf 15 Prozent. Gleichzeitig fällt der Spitzensteuersatz von 48,5 auf 42 Prozent. Finanzexperten rechnen damit, dass dies Bund, Länder und Gemeinden 22 Milliarden Euro kosten wird.
Der Bund will seinen Finanzierungsanteil an der vorgezogenen Steuerreform von 7,5 Milliarden Euro über drei Elemente erwirtschaften: 5 Milliarden Euro sollen durch Neuverschuldung hereinkommen, weitere 2 Milliarden durch Privatisierungserlöse aus Telekom- und Postaktien. Vorgesehen sind auch Subventionskürzungen – etwa durch Abbau von Steuervorteilen in der Agrar- und Bauwirtschaft.
Der Bundeskanzler verteidigte diesen Weg, da er am besten geeignet sei, das für das Jahr 2004 erwartete Wirtschaftswachstum zu stützen. „Wir können doch nicht das Geld in dem Jahr, in dem wir es in den Wirtschaftskreislauf hineingeben, gleich wieder herausnehmen“, begründete Schröder, dass die Schuldenaufnahme stärker ausfalle als der Subventionsabbau. Das Kabinett soll diesen Weg am 13. August beschließen.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat die Gegenfinanzierung der Steuerreform als „absolut enttäuschend“ bezeichnet. „Einfach die Flucht in neue Schulden – Länder und Kommunen werden im Stich gelassen. Das reicht nicht. Deshalb ist klar: Die Bundesregierung muss nachsitzen“, sagte Merkel.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch nannte die Steuersenkungspläne der Regierung sogar „nicht akzeptabel“. Die Finanzierung gehe „zum überwiegenden Teil auf die Knochen unserer Kinder“, sagte der CDU-Politiker unter Anspielung auf die um 5 Milliarden erhöhte Neuverschuldung. Die Steuersenkung könne nur vorgezogen werden, wenn sie durch die Länder mit „null neuen Schulden“ finanzierbar sei. Die Spitzenverbände der Wirtschaft sehen in der Finanzierung über neue Schulden die Flucht der Politik vor Haushaltsentlastungen. Mehr Schulden bedeuteten letztlich höhere Steuern in der Zukunft. Grundsätzlich sei das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 aber zu begrüßen. CIF
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