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Archiv-Artikel

Der Hass in meinen Augen

Frauen schauen EM (3): Schwarzrotgold gegen Orange? Unentschieden? Das geht nicht: Duelle brauchen Sieger!

Manche Spiele muss sich eine Frau hart erkämpfen. Deutschland gegen Holland. Das Duell. Ich stand vor dem Spiegel und versuchte so zu gucken wie ein eiskalter Engel, wie ein Taxi Driver. Nichts. Was aus dem Spiegel zurückblickte, war nicht mehr als Homer Simpson, wie er versucht, den blanken reinen Hass aus seinen Augen sprechen zu lassen. „Scheiß Oranje“, fauchte ich, zum ersten Mal an diesem Abend. Frauen sind die besseren Hasser. Keine Frage. Weil sie sich den Hass nicht ansehen lassen. Leider nur war diese Überlegenheit bei diesem Duell nicht zielführend.

„Klar kannst du mit uns die Holland-Pleite anschauen“, hatte Andi gesagt, großherzig, vor dem Spiel. „Aber ich will den Hass in deinen Augen sehen.“

Ich entschied mich für die Agent-Smith-Variante („Matrix“) und wählte die schwarze Sonnenbrille. Es ging los. Zu Fußballprofifreund Andi und seinen Freunden, dem allerheiligsten Männerfußballbund. Deutschland gegen Holland. Das Duell. Ich war bereit. Kippte, kaum angekommen, einen Kristaldzidrais, lettischen Wodka, den ersten an diesem Abend. Beitrag zur Völkerfreundschaft.

Wenn man Kahn in die Augen sieht, sagten die Kommentatoren im Fernsehen, sieht man nichts. Das blanke, reine Nichts. Angst könne man da bekommen, so konzentriert sei er vor einem Spiel. Ich sah nur Andis Augen, kurz vor Anpfiff, Schlitze, zweite Minute, die Holländer vor dem deutschen Tor, vor Oli, und der Baaalll … nicht im Tor. „Scheiße“, zischte Andi nur. „Warum ist da hinten keiner?“ Wodka.

Manche Spiele verfolgt man besser auf dem Gesicht eines Mannes als auf dem Spielfeld. Duelle unbedingt.

Andis Augen weiteten sich. Das deutsche Spiel, plötzlich war es da. Friiiings. Toooor! Wodka. Auf der Straße knallten drei Böller. „Ohne Holland fahren wir zur WM.“ „Ihr seid alle genmanipuliert, genmanipuliert, genmanipuliert!“ Auf der Straße „Es gibt nur ein Ruuudi Völler!“. Zwei Wodka später: Tor. Van Nistelrooy. Drei Wodka. Schleier auf Andis Augen.

Ich war benommen. Von Kerner-Kommentaren. Vom Kristaldzidrais. Von der Sonnenbrille – nicht auf meinem Kopf, sondern auf dem des niederländischen Rasta-Mobs namens Davids, die auch beim gerechtesten Umtreten nicht abfiel. Unentschieden. Ein Duell unentschieden. Das geht nicht. Duelle brauchen Sieger. „Scheiß Oranje“, dachte ich.

Andis Gesichtszüge dagegen: entspannt. „Ach, besser als verloren“, sagte einer von Andis elf guten Freunden. Ich gab auf. Alle anderen hatten sich lieb.

SUSANNE LANG