: Kontroverses Geschäftsmodell
Auf der Suche nach einem Image hat nun auch ein Modelabel im alternativen Hamburger Karolinenviertel den Häftlings-Chic entdeckt. Doch gegen Niedriglöhne und die Vermarktung von „Knastalltag“ regt sich Protest
Devotionalien aus Gefängnissen sind der Verkaufsschlager. Ob T-Shirts, Kochbücher oder Geschirrhandtücher: Mit dem Label „Made im Knast“ verkaufen sie sich derzeit bestens. Und das nicht erst, seit der Schauspieler Jan Fedder eine über hundert Jahre alte Zellentür aus „Santa Fu“ gekauft und wieder an die Haftanstalt zurückgegeben hat. Denn das Gefängnis in Hamburg-Fuhlsbüttel war nicht zuletzt Teil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates und so wurde die Vermarktung der ausgemusterten Zellentüren gestoppt (taz berichtete).
Seit zwei Wochen werden nun auch im Hamburger Karolinenviertel von Haftinsassen hergestellte Bettbezüge, Schürzen und selbst gebrannter Schnaps verkauft. „Jailwear since 1860“ wirbt das schwarze Schild „Haeftling“ neben dem Eingang des Ladens.
Das Geschäft in der Marktstraße trifft mit seinen Knacki-Produkten offenbar den Nerv der Großstädter, die hier den passenden Nimbus gleich mitkaufen: „Wir glauben, dass jeder eine zweite Chance verdient hat“, ist schon durchs Schaufenster des frisch renovierten Altbaus zu lesen. Und weil sich mit solchem Image nicht nur die Ware aus dem Gefängnis bestens verkaufen lässt, ist das Hauptgeschäft von „Haeftling“ auch das mit der eigenen Modekollektion – produziert in Polen, der Türkei und China.
Jeden Tag kommen etwa 20 Kunden in den schmalen, weiß gestrichenen Laden sagt Geschäftsführer Michael Miraky. Die meisten wollen wissen, was es mit dem Namen „Haeftling“ auf sich hat. Dann führt der 36-Jährige sie vorbei an den Kleidern, Mänteln und T-Shirts – deren schlichten, unifarbenen Stil er „Workwear der 20er und 30er Jahre“ nennt – in den hinteren Teil des Ladens: „Der Raum hier soll ein wenig an eine Gefängniszelle erinnern“, sagt er und deutet auf einen kleinen dreieckigen Tisch in der Ecke und die an der Wand hängende Pritsche. Darauf liegt die ganze Produktpalette der Gefängnisware – von Wolldecke bis Kaffee.
Miraky steht hinter dem Konzept von „Haeftling“: „Die Häftlinge finden es gut, dass wir ihre Sachen verkaufen“, sagt er. „Mehr als Sport und Arbeit gibt es im Knast doch nicht zu tun. Sie wollen arbeiten.“ Das sehen die Gegner der Gefängnisprodukte anders. An beinahe jedem Haus in der Nachbarschaft des Ladens hängen inzwischen „Haeftling not wanted“-Plakate. Auch an der Fassade von „Haeftling“ selbst klebten sie, und das Schaufenster ist bereits eingeschlagen worden.
Wer den Stein geworfen hat, weiß Miraky nicht. Unklar ist auch, wer hinter den Protestplakaten steckt: Ein Hinweis auf die Verantwortlichen fehlt. Die Position der anonymen „Haeftling“-Gegner aber ist deutlich: Sie werfen dem Laden Zwangsarbeit zu geringsten Löhnen von acht bis 13 Euro am Tag vor. Und sie kritisieren, dass der „rohe Knastalltag“ letztlich als bloße Verkaufsstrategie genutzt werde.
Miraky versteht die Aufregung nicht. Häftling, das sei doch einfach ein Name für das Bekleidungs-Label: „Wir wollen doch nur Mode verkaufen.“ Und außerdem könne man das Wort doch auch positiv deuten, findet er: „Wir alle“, sagt der Geschäftsführer, „sind doch kleine Häftlinge der Gesellschaft.“ ILKA KREUTZTRÄGER