LONG PLAYING RECORD
: Jukebox - Der musikalische Aszendent

In aller Atemlosigkeit: auch mal Schweigen

Gut. Eine Fußball-Platte zur Zeit der Fußball-Europameisterschaft ist nicht gerade höllisch originell, aber die EM gibt eben die hübsche Gelegenheit, eindringlich an Ror Wolfs brüllend komisches Collagenhörspiel „Der Ball ist rund“, rückseitig „Schwierigkeiten beim Umschalten“, zu erinnern, in dem mit viel Liebe das Herumgurken der Radiokommentatoren zusammengeschnipselt wurde, und gleich noch ein Gedicht von Ror Wolf, über „wetterverhältnisse“, „es schneit, dann fällt der regen nieder, / dann schneit es, regnet es und schneit, / dann regnet es die ganze zeit, / es regnet und dann schneit es wieder“, was zugegebenermaßen kein ausgewiesenes Sommergedicht ist, aber das da draußen ist auch kein ausgewiesener Sommer, weswegen man zur Erinnerung, wie das auch sein könnte, mit dem ollen Lied von Lovin’ Spoonful summt, „but at night it’s a different world / go out and find a girl / come-on come-on an’ dance all night / despite the heat it’ll be alright / and babe, don’t you know it’s a pity / that the days can’t be like the nights / in the summer, in the city / in the summer, in the city“, also noch mal die wichtigsten Stichworte: heiß, so heiß, dass man es tagsüber gar nicht mehr aushält, aber die Nächte, o, là là!, im Sommer, in der Stadt, in der Stadt im Sommer, der ja erst noch kommen muss, und das macht er wie immer am 21. Juni, der Sommeranfang kalendarisch und fester Termin auch der Fête de la Musique, in der die ganze Stadt, also wirklich überall, beschallt wird, umsonst & draußen, dass man nicht mehr glauben möchte, dass es überhaupt eine Musik geben könnte, die nur drinnen funktioniert, wo man die Aufmerksamkeit ein wenig ordentlicher um sich sammelt, Kammermusik wäre das schon dem Wort nach, und der ultimative Kick der Drinnenbleibermusik ist natürlich „4.33“, die Komposition von John Cage, in der nichts anderes passiert, als absolute Stille, was eine Ahnung von Ewigkeit gibt, am besten mit Kopfhörern zu hören und den Sommer Sommer in der Stadt sein lassen und sich im Selbst verlieren. Hier schweigen sogar die Fußballkommentatoren.

THOMAS MAUCH