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Archiv-Artikel

Auch Sachsens Mitte rückt nach rechts

Erfolge der Nationalisten bei den sächsischen Kommunalwahlen sind nicht nur Ausdruck des Protests, sondern rechtsextremes Wahlverhalten wurzelt bereits in der Mitte, sagen Forscher. Schuldzuweisungen an Ausländer und vermeintliche Schmarotzer

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Die Sächsische Union solle sich die bayerische CSU zum Vorbild nehmen und „nationale Rhetorik kultiviert und im demokratischen Kontext bedienen“, rät der aus Passau stammende Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Zurzeit reiche die Integrationskraft der Union nicht, weil das offene Einbinden des rechten Randes verpönt ist und abgestraft werde, sagte er der Sächsischen Zeitung.

Patzelts Empfehlung entspricht einer der beiden möglichen Reaktionsweisen auf die Erfolge rechtsextremer Parteien bei der Kommunalwahl in Sachsen. NPD, Republikaner oder rechte Wahlbündnisse sind seit vergangenem Sonntag mit 50 Mandaten in 23 Kommunalparlamenten vertreten.

Regionale Schwerpunkte liegen dabei in der touristisch sehr attraktiven, aber von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Sächsischen Schweiz und in Mittelsachsen. Gebiete, in denen die NPD bisher schon teilweise zweistellige Ergebnisse erreichte und eine rechte Jugendkultur dominiert. Auch Querverbindungen zur formal zerschlagenen Schlägertruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ sind bekannt.

Die jüngsten Wahlergebnisse stellen eine neue Qualität dar. 26 Prozent erreichte die NPD in Reinhardtsdorf-Schöna. In Königstein legte sie auf 20,7 Prozent zu, in Sebnitz auf 14,3 Prozent. Im Kreistag Sächsische Schweiz bildet sie mit 9,1 Prozent Stimmenanteil nun die drittstärkste Fraktion. Auch im mittelsächsischen Wurzen erreichte sie ein zweistelliges Ergebnis und zog außerdem mit 5,8 Prozent in den Kreistag ein. Noch alarmierender erscheinen Ergebnisse aus den traditionell aufgeklärter wählenden Großstädten. In Chemnitz erzielten die Republikaner 10,3 Prozent der Stimmen, in Dresden verpasste das „Nationale Bündnis“ mit 4,2 Prozent und drei Mandaten nur knapp den Fraktionsstatus.

Bei sächsischen CDU-Kommunalpolitikern scheint Patzelts Anregung längst fruchtbaren Boden zu finden. Der Meißner Landrat Arndt Steinbach will mit allen demokratisch gewählten Parteien, also auch mit der NPD, zusammenarbeiten. Sein Kollege Michael Geisler in Pirna ist gegen die völlige Ausgrenzung der NPD-Abgeordneten, die an ihrer Sacharbeit zu messen seien. Die Union müsse Themen wie innere Sicherheit und Soziales klarer besetzen, mit denen bisher Rechte gepunktet haben, erklärte der sächsische CDU-Generalsekretär Hermann Winkler.

Das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ machte für die Wahlerfolge die politischen Spitzen vieler Kommunalverwaltungen verantwortlich, die sich „nicht eindeutig gegen rechtsextreme Hegemoniebestrebungen und Gewalt positioniert haben“. Im Netzwerk sind landesweit die Initiativen gegen rechts zusammengeschlossen. Sachsens SPD-Vorsitzende Constanze Krehl forderte ein „Bündnis aller demokratischen Parteien“. Ihre PDS-Kollegin Cornelia Ernst sprach von einem „ernst zu nehmenden Signal“ der Kommunalwahlen und will zu einem „antifaschistischen Ratschlag“ aller Gegenkräfte einladen.

Der Politikwissenschaftler Prof. Hans Vorländer von der TU Dresden gab zu, dass man noch wenig über die tatsächlichen Gründe für dieses Wahlverhalten wisse. Vor allem in der grenznahen Sächsischen Schweiz vermutet er soziale Ängste und daraus resultierende Schuldzuweisungen an Ausländer und vermeintliche Schmarotzer.

Der Verfassungsschutzbericht 2003 hatte noch einen „starken Rückgang“ rechtsextremistischer Tendenzen in Sachsen konstatiert. Ein Sprecher des Landesamtes sagte aber der taz, dass rechtsextremes Wahlverhalten nicht mehr nur als Protest zu interpretieren sei, sondern in einigen Regionen bereits in der Mitte der Gesellschaft wurzele.