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Archiv-Artikel

Eine bleibt. Eine muss gehen

Rebecca Harms aus Niedersachsen ist Spitzenkandidatin der Grünen bei der Europawahl im Juni. Angelika Beer aus Schleswig-Holstein wurde nicht wieder nominiert. Die eine macht weiter Karriere, die der anderen ist wohl zu Ende

Grünes Europa

Mit der Europaabgeordneten Rebecca Harms ist eine Niedersächsin Spitzenkandidatin der Grünen bei der Europawahl am 7. Juni. Ihr folgt auf Platz 4 das Ex-Attac-Sprachrohr Sven Giegold, ebenfalls Niedersachsen. Die Bremerin Helga Trüpel behält auf Platz 9 sicher ihr EU-Mandat. Für Angelika Beer als vierte Norddeutsche war da auf einem vorderen Rang kein Platz mehr. Das beschloss der grüne Bundesparteitag am Sonntag in Dortmund.  TAZ

Ihr sei das Risiko bewusst gewesen, sagt Angelika Beer, und dass jedes Ende auch ein Neuanfang sei. Sie klingt am Montagmittag nicht so, als sei sie verärgert. „Ich habe meine Person und meine Kompetenzen der Partei angeboten. Sie hat das Angebot nicht angenommen, das akzeptiere ich“, sagt die Grüne aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster. Die 51-Jährige hat schon so manche Enttäuschung einstecken müssen in ihrer politischen Karriere, die einer Wellenlinie gleicht: Jedem Berg folgte ein Tal. Seit Sonntagnachmittag ist Angelika Beer mal wieder in einer Niederung angekommen.

Der Bundesparteitag der Grünen in Dortmund hat ihr die erneute Nominierung für das Europaparlament versagt. Mehrere Male kandidierte sie, immer fiel sie durch. 13 Abgeordnete stellen die deutschen Grünen zurzeit für Europa, 25 Namen stehen jetzt auf der Liste für die Wahl am 7. Juni. Der von Angelika Beer nicht. Irgendwann trat sie nicht mehr an, es reichte. „Dankbarkeit ist eben kein Kriterium“, sagt Schleswig-Holsteins grüner Parteichef Robert Habeck. Es habe auf dem Parteitag den Wunsch nach Veränderung gegeben, dem sei Beer zum Opfer gefallen.

Das ist der gelernten Rechtsanwaltsgehilfin schon häufiger passiert. Von 1987 bis 1990 war sie im Bundestag, dann flog sie raus; nach vier Jahren war sie wieder drin und blieb bis 2002. Als Bundesvorsitzende an der Seite von Reinhard Bütikofer musste sie auf ein Bundestagsmandat verzichten. Aber schon 2004 verdrängte Claudia Roth sie von der Parteidoppelspitze. Dass die Verteidigungspolitikerin sich seinerzeit ausgerechnet in einen Bundeswehroffizier verliebt und ihn auch noch geheiratet hatte, sorgte für Unmut in der grünen Partei. Nur mit Mühe errang Beer noch im selben Jahr ein Mandat im Europaparlament, und damit ist nun auch Schluss. „Ich bin keine beleidigte Leberwurst“, sagt Beer. Die Grünen hätten „sich geöffnet“, mit Sven Giegold von attac und Barbara Lochbihler von Amnesty International hätten sie „hervorragende Leute von außen“ geholt – wichtig sei „dieses gute Signal“, nicht ihr eigenes Schicksal.

Sie werde jetzt eines ihrer politischen Anliegen intensivieren, sagt Beer: „Gegen Rechtsextremisten im Norden gibt es noch viel zu tun.“ Das erfreut ihren Parteichef. „Cool“, sagt Robert Habeck, „das ist keine gute Nachricht für Neonazis in Schleswig-Holstein.“ SVEN-MICHAEL VEIT

Eine Überraschung ist es nicht, dass die amtierende Vize-Chefin der grünen Europa-Fraktion erneut ganz oben auf der Bundesliste zur kommenden Europawahl steht. Von den 700 Delegierten auf dem Parteitag der Grünen gaben 80,4 Prozent Rebecca Harms ihre Stimme. Der Erfolg rührt vor allem daher, dass sich die 52-Jährige treu geblieben ist.

Sicher, die Haare sind nicht mehr so lang wie 1980, als die von ihr mitgegründete Freie Republik Wendland geräumt wurde. Und auf Gorlebenprotesten fährt Harms den Traktor schon lange nicht mehr selbst, sondern stellt sich lieber für einige Meter auf den Fahrertritt. Dennoch, die einstige Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen Grünen hat ihre alten Ideale nicht vergessen. „Durch meine Arbeit zieht sich ein langer, roter Faden“, sagte sie am Montag.

Heute wie damals beschäftigt sich Harms vor allem mit Energiefragen, dem Klimawandel und natürlich dem Atomausstieg. Ihre politischen Wurzeln aus der Zeit, als sie mit Freundin und Grünen-Mitbegründerin Undine von Plottnitz eine Bürgerinitiative gründete und zusammen mit ihr nach Brüssel ging, habe sie nicht verloren. Nur ihre Aufgaben seien gewachsen.

Die Europawahl am 7. Juni ist für die im Wendland lebende Politikerin „eine ganz besondere Herausforderung“. Harms ist sich sicher, mindestens das Ergebnis der Europawahl von 2004 zu erreichen. Damals zogen die Grünen mit 11,4 Prozent in das Europaparlament ein.

Eine Gefahr durch ökologisch gefärbte Programme anderer Parteien sieht die Europaabgeordnete nicht. „Spätestens seit dem Umweltgipfel ist doch von dem grünen Anstrich der Großen Koalition nichts mehr übrig geblieben“, sagt sie.

UTA GENSICHEN